Es gibt ja so vermeintlich einschneidende, große Ereignisse, bei denen man sich, wenn man ehrlich ist fragt: Was ändert sich eigentlich wirklich? Das gilt zum Beispiel für runde Geburtstage. Die Standardfrage an runden Geburtstagen lautet ja:
„Wie fühlt man sich denn so – mit 30?“
Und wenn man ehrlich ist, muss man antworten:
„Nicht wesentlich anders als mit 29.“
Was ändert sich eigentlich wirklich? Das gilt zum Beispiel auch für den Grenzübertritt in Mitteleuropa. Vor 20 Jahren war das noch etwas Besonderes und Einschneidendes, in Mitteleuropa eine Staatsgrenze zu überschreiten. Heute ist das nichts Besonderes. Wenn ich zum Beispiel an die Grenze zwischen Deutschland und Holland denke: Von Deutschland nach Holland zu fahren macht eigentlich keinen großen Unterschied. Gut, die Verkehrsschilder sehen ein bisschen anders aus, aber die Wiesen und der Himmel sehen ganz ähnlich aus wie auf der anderen Seite. Mit einer Ausnahme – nämlich während Weltmeisterschaft im Jahr 2002.
Damals war ja Holland leider nicht für die Weltmeisterschaft qualifiziert. Deshalb war auf der Grenze zwischen Holland und Deutschland auf der holländischen Seite ein Schild zu sehen, das hatten freche Menschen dort befestigt: „Hier beginnt die WM“. Und auf der anderen Seite, auf der Grenze zwischen Deutschland und Holland auf der deutschen Seite, war ein Schild befestigt: „Hier hört die WM auf.“ Also, da war das mal etwas Einschneidendes, aber ansonsten ist es das eigentlich nicht.
Manche Menschen fragen – ganz ernsthaft: „Wie ist das eigentlich mit den großen Glaubenswahrheiten? Bei den großen Festen, die ihr Christen feiert? Bei dem, was ihr da feiert – was ändert sich dadurch eigentlich wirklich? Ist ja ’ne schöne Geschichte, Jesus ist von den Toten auferstanden – aber was ändert sich dadurch, wenn das denn stimmt?“ fragen manche Menschen.
Die erste Antwort: Der Anfang vom Ende der Angst
Es ist ja ein beliebtes Gesellschaftsspiel zwischen Kindern und Eltern, mehrdeutige Worte zu suchen, Worte, die mehrere Bedeutungen haben, auch bekannt unter dem Namen Teekesselchen. Dann sagt zum Beispiel einer: „Ich denke an ein Wort, das ist sowohl ein Vogel als auch eine Berühmtheit.“ Die Antwort: „Star“. Oder: „Es ist sowohl ein Kuchenstück als auch ein Bewohner eines Landes“ – „ Amerikaner“. Oder: „Es ist sowohl ein Bewohner eines Bundeslandes als auch eine Würstchensorte.“ – „Thüringer.“
Warum erzähle ich das jetzt alles? Weil der Gruß, mit dem Jesus, der auferstandene Jesus, seine Jünger grüßt, auch mehrdeutig ist. Er hat eine Oberflächenbedeutung und eine Tiefenbedeutung. Da sitzen die Jünger beieinander, sind verängstigt, weil sie die Geschichten vom leeren Grab und von den Erscheinungen des Auferstandenen gehört haben. Sie wissen noch nicht so genau, was sie davon zu halten haben, sind eher verunsichert, haben Angst vor Verfolgung. Da tritt Jesus wie aus dem Nichts mitten unter sie und sagt: „Friede sei mit euch!“
Das ist der typische jüdische Gruß, Schalom. So hat man sich begrüßt. Und der große christliche englische Humorist Adrian Pass hat gesagt: Für ihn ist das ein Paradebeispiel für jüdischen Humor. Der auferstandene Jesus tritt unter seine Jünger – und die sind alle völlig verdattert, das wichtigste Ereignis der Weltgeschichte hat gerade stattgefunden – und Jesus tritt unter sie und sagt: „Peace!“ Das ist die Oberflächenbedeutung.
Der Gruß hat aber auch eine Tiefenbedeutung. Denn indem Jesus sagt: „Friede sei mit euch“, erinnert er seine Jünger an all das, was er vorher schon gesagt hat über den Frieden, der er gibt. Im Johannesevangelium sagt Jesus: „Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt euch gibt. Euer Herz erschrecke sich nicht und fürchte sich nicht.“ Jesus sagt also: „Ich gebe euch meinen Frieden, einen Frieden von ganz anderer Art, als ihn die Welt geben kann.“ – Wenn die Welt Frieden gibt, wenn die Welt Beruhigung gibt, wenn die Welt Entspannung gibt, dann ist das immer nur ‚ein bisschen’ Frieden, ein bisschen Frieden, ein bisschen Ruhe, aber niemals langfristige echte Ruhe.
Hier spricht der, der das erste und das letzte Wort über die Geschichte der Menschheit und die Geschichte des Universums und die Geschichte unseres eigenen Lebens hat. Der dabei war, als diese Welt erschaffen wurde und der dabei sein wird, wenn diese Welt übergeht, verwandelt wird in die neue Welt Gottes, die in Ewigkeit sein wird. Der spricht! Er weiß, was er sagt, wenn er sagt: „Friede sei mit euch.“ Es macht einen Unterschied, ob jemand, der Autorität und Vertrauen genießt, so einen Satz sagt wie: „Es ist alles in Ordnung.“ Der, der die höchste Autorität genießt, sagt: „Friede“ – ‚es ist alles in Ordnung. Am Ende werde ich diese Welt verwandeln, so wie ich jetzt die Grenze des Todes durchbrochen habe.’
Und natürlich hatten die Jünger, die das gehört haben, auch später Angst. Natürlich hatten sie auch später Angst. Wir wissen aus der Kirchengeschichtsschreibung, dass wahrscheinlich fast alle von denen, die das damals gehört haben, selbst später Märtyrer wurden für ihren Glauben. Sie mussten also für diesen Glauben an den auferstandenen Jesus mit ihrem eigenen Leben bezahlen. Natürlich hatten sie später Angst. Aber sie wussten: Dieser Jesus ist nicht zu stoppen. Man kann ihn verfolgen, man kann ihn ignorieren, man kann ihn verlachen, aber stoppen kann man ihn nicht.
Das ist eine Erfahrung die Menschen auch heute machen die zum Teil unter weitaus schwierigeren Bedingungen als wir, vom Evangelium von Jesus Christus reden. Der eine oder andere hat die Geschichte schon gehört, ich finde sie nur so wichtig, dass ich sie noch einmal erzähle, von dem ostasiatischen Studentenmissionar, der in einem Land im fernen Osten Jesus bezeugt und evangelistische Arbeit tut. In einem Land, in dem das nicht gerne gesehen wird. Also kommt er in Haft, ins Gefängnis. Nach einer Weile muss er in einen anderen Trakt verlegt werden, weil zu viele Menschen in seiner Umgebung anfangen, sich für den Glauben zu interessieren.
Er kommt in Isolationshaft, für mehrere Jahre. Als er dann irgendwann aus dem Gefängnis wieder herauskommt, fragt ein Kollege aus einer westlichen christlichen Studentenbewegung diesen Menschen: „Sag mal, nach all den Jahren im Gefängnis für deinen Glauben – bist du da nicht verbittert?“ Und er sagt – und ich zitiere die Antwort zunächst auf Englisch und dann sage ich sie noch mal auf Deutsch – er sagt: “I do not feel bitter, because for me, my time in prison was a honeymoon with Jesus“. – “Ich fühle mich nicht verbittert, denn für mich war meine Zeit im Gefängnis wie Flitterwochen mit Jesus.“
Es macht einen Unterschied, ob jemand wie er so etwas sagt. Da ist etwas dahinter. Erstens: Der Anfang vom Ende der Angst.
Das Zweite was sich mit der Auferstehung verändert: Der Anfang von Sinn ohne Ende
Was ist eure Vorstellung von absoluter Entspannung? Meine Vorstellung von absoluter Entspannung, wie ich gerne hin und wieder sage, besteht zum Beispiel in folgendem Szenario: Ich sitze auf einem Sessel, trinke einen großen Becher schwarzen starken Kaffee, habe Rittersport-Nougat Schokolade vor mir und lese den Kicker. Ich lese also diese Zeitschrift und entspanne mich. Jetzt könnt ihr euer eigenes Szenario einsetzen: Was bedeutet für euch absolute Entspannung, absolute Zufriedenheit? So sehr wir uns da wahrscheinlich einig sind, dass es dafür verschiedene Möglichkeiten gibt – wir werden uns wohl auch einig sein, dass das auf Dauer dennoch nicht ausfüllen kann. Ein erfülltes Leben hat nicht damit zu tun, dass ich mich auf Dauer immer nur entspanne. Dadurch wird mein Leben nicht erfüllt.
Sondern ein erfülltes Leben, das kann man eher an Menschen ablesen, die sehr aktiv sind. Das kann man zum Beispiel an den Gesichtern von Sportlern ablesen, die gerade eine Höchstleistung erbracht haben, an diesen abgekämpften und euphorisierten Gesichtern. Man kann es ablesen an dem Gesicht eines Rettungssanitäters, der gerade eine 24-Stunden-Schicht hinter sich hat, völlig fertig, am Rande des Schlafes, der ihn zu übermannen droht, aber er weiß, er hat etwas getan, was er kann, und es hat Sinn gemacht. Und man kann es ablesen an den Gesichtern von Jugendlichen, die am Ende einer Sommerfreizeit kreidebleich aus dem Bus taumeln – die abgekämpft schwere Gerätschaften irgendwohin zurück transportieren, aber sie sind glücklich, sie sind erfüllt, weil sie aktiv dabei sind, bei etwas, was wirklich richtig wichtig ist.
Der auferstandene Jesus sagt zu seinen Jüngern: „Friede sei mit euch. Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.“ – „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“, das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Das heißt doch wohl: Wir führen weiter, was Gott in Jesus begonnen hat. Wir tun das in Jesu Auftrag, in der Kraft, die Gott uns schenkt, nicht in unserer eigenen Kraft, aber wir führen weiter, was Gott in Jesus begonnen hat. „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.“ Wir führen das weiter, das Werk, Menschen für Gott, für Jesus zu gewinnen. Das geht nur in der Kraft die Jesus schenkt. Vers 22: „Als er das gesagt hatte, blies er sie an und spricht zu ihnen: Nehmt hin den Heiligen Geist.“
Hier kann einem schon wieder der Atem stocken, weil hier wieder etwas Einmaliges und Erstmaliges passiert. Im Alten Testament nämlich wurde der Heilige Geist einzelnen Menschen für bestimmte Zeitabschnitte gegeben, um eine bestimmte Aufgabe zu vollführen. Jesus bekommt den Heiligen Geist als eine langfristige Gabe, als eine Kraft, die immer in ihm wohnt und diese Kraft überträgt er nun an die Leute, die mit ihm durch die Lande ziehen. Die Kraft, die Gott Jesus geschenkt hat, die Kraft, die Jesus von den Toten auferweckt hat, die wirkt in uns, sie ist Gottes Geschenk an uns.
Es ist auch nötig, dass Gott uns diese Kraft schenkt, denn wir haben in der Aufgabe, Menschen für Jesus zu gewinnen, eine enorme Verantwortung. Vers 23: „Welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen, und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten.“ Das ist eine der vielleicht schwierigsten Passagen des Neuen Testaments. Denn man fragt sich ja, ob das heißt: Wir dürfen darüber entscheiden, ob jemandem die Sünde vergeben werden oder etwa nicht? Ich glaube nicht, dass man das so verstehen darf, sondern ich glaube, Jesus meint damit: Vor Ostern, vor der Auferstehung entschied sich in der direkten Begegnung zwischen Menschen und dem leiblichen Jesus, wie es um Menschen bestellt war. Menschen sind Jesus begegnet direkt, leiblich, sichtbar, haben sich mit ihm auseinander gesetzt, haben sich ihm entweder zugewandt, sind ihm nachgefolgt oder haben ihn ignoriert oder sind woanders hingegangen.
Direkt mit Jesus hat sich das entschieden. Die Jünger standen daneben. Jetzt, nach Ostern, entscheidet sich diese ganze Sache in der Auseinandersetzung mit der Botschaft, die wir auszurichten haben. Wir erzählen Menschen von Jesus, und Menschen reagieren darauf, entweder zustimmend oder ablehnend oder ignorierend, und damit entscheidet sich, ob ihnen die Vergebung der Schuld gilt oder nicht. Nicht so, dass wir darüber noch weiter zu entscheiden hätten, wenn jemand die Vergebung der Schuld haben möchte und wir dann zu ihm sagen dürfen: „Nein, nein, is’ nicht.“ Sondern in der Begegnung mit der Botschaft entscheidet sich: Gilt die Vergebung der Schuld für diesen Menschen oder gilt sie nicht? Das ist eine enorme Verantwortung, nämlich die Verantwortung, diese Botschaft so genau und so deutlich und so gewinnend wie möglich zu sagen.
Das ist eine enorme Verantwortung, es ist auch ein enormes Vorrecht. Dieser Auftrag hat Menschen gepackt und nicht mehr losgelassen, angefangen bei den Jüngern, von denen hier in diesem Text die Rede ist. Die Jünger, die als eine kleine, relativ unwahrscheinliche Truppe zu den Missionaren der damals bekannten, bewohnten Welt wurden. Die den gesamten Mittelmeerraum erreicht haben, innerhalb weniger Jahrzehnte, weniger Jahrhunderte, völlig unwahrscheinlich, historisch bis heute schwer zu erklären – weil sie gepackt waren von diesem Auftrag. Oder gepackt von diesem Auftrag waren die Menschen, die um die Reformationszeit den Kern der Frohen Botschaft von der Gnade Gottes in Jesus Christus wieder entdeckt haben, und die gesagt haben: Wir haben das Jahre lang, Jahrhunderte lang falsch verstanden, jetzt fangen wir an zu schmecken, wie schön die Gnade Gottes ist, und wir hören nicht auf, davon zu reden. bis Menschen das begreifen. Das hat halb Europa und die halbe Welt erreicht. Und es wurden Menschen gepackt von diesem Auftrag. Das ist das zweite was sich ändert, zweitens: der Anfang vom Sinn ohne Ende.
Drittens: Der Anfang vom Ende der Skepsis
Wie gesagt, manche Menschen sagen: „Das klingt ja alles ganz nett, was ihr Christen so erzählt, gerade an Ostern, das mit der Auferstehung, tolle Geschichte – aber ist das denn wirklich glaubhaft, kann man das irgendwie begründen?“ Der englische Philosoph und Mathematiker Bertrand Russell war bekennender Atheist, und er wurde einmal in seinem Leben gefragt: „Stellen Sie sich vor, Sie sterben und nach dem Tod stehen Sie Gott gegenüber, was würden Sie dann zu Gott sagen?“ Und Bertrand Russell sagte: „Ich würde zu Gott sagen: Du hast uns für deine Existenz leider nicht genügend Belege hinterlassen.“ Das ist eine alte Frage: Gibt es eigentlich Belege für diesen Glauben, gibt es Gründe dafür, das zu glauben?
Das ist eine Frage, die stellt schon Thomas, der einer der zwölf Jünger ist. Thomas fehlt nämlich bei dem ersten Treffen, das die Jünger mit dem auferstandenen Jesus haben. Und als er hört, was die Jünger erzählen, fragt er genau das gleiche, was wir auch fragen würden, er fragt: „Entschuldige mal, wie soll ich das denn glauben? Da bin ich aber skeptisch. Bevor ich das glaube, will ich ihn sehen. Ich will mit ihm reden, ich will ihn anfassen, und dann kann ich es vielleicht glauben.“
Das heißt, Thomas ist skeptisch. Es ist allerdings eine gesunde Skepsis, die Thomas hat. Gesunde Skepsis ist eine ganz vorbildliche Sache, davon haben manche Menschen vielleicht eher zu wenig. Gesunde Skepsis ist nämlich die Fähigkeit, wenn mir jemand etwas erzählt, zu dem. was er mir erzählt einen Schritt auf Entfernung zu gehen und zu sagen: „Ja, kann ja sein, aber nenn’ mir erst mal Gründe.“ Wenn man sich dann auf die Gründe einlässt, ist das eine vorbildliche Sache. Ich würde davon allerdings eine andere Form von Skepsis unterscheiden, die nenne ich professionelle Skepsis. Profi-Skepsis, die sich auch nicht durch die besten Gründe nicht erreichen lässt. Das ist zum Beispiel die Skepsis eines Mannes, von dem ich mal gehört hab, einige andere werden von ihm auch schon gehört haben:
Dieser Mann war der festen Überzeugung, er sei tot. Es tut mir auch leid, so geht die Geschichte. Der Mann glaubte also er sei tot. Viele Ärzte konnten ihm das nicht ausreden, bis er endlich zu einem Arzt kam, dem der Geduldsfaden riss, und dieser Arzt sagte zu ihm: „Sie glauben also, Sie sind tot. Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Ich lese Ihnen jetzt einen Satz aus einem medizinischen Lehrbuch vor, und Sie sagen mir, ob Sie glauben, dass der Satz stimmt. Okay?“ Der Mann sagt: „ Okay.“ Der Arzt liest vor: „Tote Menschen bluten nicht. Glauben Sie, dass das stimmt?“ Der Mann sagt: „Das steht in einem medizinischen Lehrbuch. Das wird schon stimmen.“ „Gut,“ sagt der Arzt, „Ärmel hoch.“ Der Mann krempelt den Ärmel hoch, der Arzt holt eine große Spritze, sticht dem Mann in den Unterarm, aus dem Arm quillt ein dicker roter Blutstropfen. Der Mann ruft ganz begeistert: „Ein Wunder! Tote Menschen bluten doch!“ Das ist professionelle Skepsis, die sich auch durch die besten Gründe nicht erweichen lässt.
Anders die Skepsis von Thomas. Thomas lässt sich nämlich darauf ein, er hat seine Zweifel, so verständlich sie sind, aber er kommt zum nächsten Treffen, und sagt: „Okay, ich guck mal, vielleicht kommt Jesus ja wieder.“ Und Jesus kommt wieder und sagt zu Thomas nicht: „Tut mir leid, du hast beim ersten Mal gezweifelt, jetzt zeige ich mich dir nicht mehr“, sondern er sagt, was hier in den Versen 26-28 steht: „Kommt Jesus, als die Türen verschlossen waren, und tritt mitten unter sie und spricht: Friede sei mit euch. Danach spricht er zu Thomas: Reiche deinen Finger her, und sieh meine Hände und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite und sei nicht ungläubig, sondern gläubig. Thomas antwortete und sprach zu ihm: Mein Herr und mein Gott.“
Das heißt: Zweifel und Fragen sind erlaubt. Wenn ihr Zweifel habt, seid ihr in bester Gesellschaft, in der Gesellschaft von Thomas. Die Zweifel sind erlaubt, die Frage ist nur, was ich mit den Zweifeln mache. Rede ich mit anderen Christen darüber, sage ich zu ihnen: ‚Ich weiß nicht, ich hätte gerne ein paar mehr Gründe’? Nutze ich Angebote, die es gibt? Wir haben ja so etwas wie Glaubenskurse, da wird über solche Dinge gesprochen – auch über die Gründe dafür, die Auferstehung als historisches Ereignis ernst zunehmen. Oder behalte ich das alles für mich? Gehe ich mit den Zweifeln zu anderen Christen, rede ich mit ihnen darüber? Gehe ich mit meinen Zweifeln zu Jesus und rede mit ihm darüber, oder behalte ich das alles für mich und drifte langsam weg? Zweifel sind erlaubt, wer zweifelt ist in bester Gesellschaft – die Frage ist nur, was man damit macht.
Dann sagt Jesus einen Satz, der bis heute wie ich finde häufig missverstanden wird. Jesus sagt nämlich zu Thomas: „Weil du mich gesehen hast Thomas, darum glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“ Der Satz wird häufig missverstanden, weil manche Menschen glauben, Jesus meinte damit: ‚Am besten wär’s, du hättest gar nicht erst skeptisch nachgefragt.’ Das meint Jesus aber nicht, meines Erachtens, sondern Jesus meint: ‚Für dich, Thomas, ist es einfach zu glauben, weil du mich gesehen hast. Nach dir werden Menschen kommen, die mich nicht in dieser Weise leiblich sehen – und selig sind sie, wenn sie dennoch glauben.’
Das heißt, auch ohne direkte wunderhafte Erfahrung ist man kein halber Christ. Es gibt keine zwei Sorten von Christen, die ersten haben eine direkte persönliche leibliche Begegnung mit dem Auferstandenem und die zweite Sorte leider nicht, und sind gerade auch eben noch irgendwie aus Gnade errettet. Es gibt keine zwei Sorten, es gibt nur Christen, die glauben. Es gibt keine zwei Sorten von Christen, die ersten haben wunderhafte, tolle, spannende, exotische, emotionale Erfahrungen und die zweite Sorte hat das leider nicht. Es gibt nur Christen, die glauben. Und deswegen, wenn man sich wünscht: ‚Ich würde gerne auch mal so ein richtig schönes unmittelbares Wunder erleben, über das ich dann das berühmte christliche Taschenbuch schreiben könnte’ – das ist nicht entscheidend. Sondern entscheidend ist, dass man glaubt.
Ich bin im Alter von 29 Jahren zu einem engagierten, bewussten Glauben gekommen. Ich bin in keinem kirchlichen Elternhaus aufgewachsen, habe aber irgendwann mal angefangen, bestimmte Bücher zu lesen. Ich habe Bücher gelesen, von so Leuten wie C.S. Lewis, Jürgen Spieß und anderen, über die ganzen Fragen, die man stellen kann an die Glaubwürdigkeit des Glaubens. Und ich habe mich gefragt: ‚Finde ich das glaubhaft, ist das wahr oder ist das nicht wahr?’ Und innerhalb eines halben Jahres ist die Überzeugung gewachsen, die irgendwann eine tiefere Gewissheit wurde: ‚Es ist wirklich wahr, also ist es wichtiger als alles andere.’
Und natürlich hatte ich auch emotionale Erlebnisse, habe gespürt, wie Gottes Liebe mich wärmt, wie toll das ist, die Nähe Gottes zu erleben. Aber ein direktes, leibliches, spektakuläres unmittelbares Wunder habe ich in dieser Form nicht erlebt. Ich habe mir gedacht, Gott hat irgendwann einmal gesagt: ‚Andere Menschen kriegen Wunder, du kriegst ein paar Argumente, das reicht.’ Ich weiß nicht, wie euer Weg ist. Vielleicht ist er noch wieder ganz anders. Auf jeden Fall ist er individuell. Entscheidend ist nicht, wie man zum Glauben kommt, sondern entscheidend ist, dass man glaubt. „Selig sind die nicht sehen und dennoch glauben.“
Vielleicht merken Sie: Nicht nur ein bisschen ändert sich durch die Auferstehung. Erstens: Der Anfang vom Ende der Angst. Zweitens: Der Anfang von Sinn ohne Ende. Drittens: Der Anfang vom Ende der Skepsis. Nicht nur ein bisschen ändert sich, sondern alles ändert sich. Die Auferstehung stellt die ganze Welt auf den Kopf, oder besser gesagt: Die Auferstehung von Jesus stellt die Welt vom Kopf auf die Füße. Und ein wichtigeres Ereignis kann man sich nicht denken.
(Der Dank für diese Worte gebührt übrigens Matthias Clausen, der diese tolle Osterpredigt am 19.04.2009 in der GreifBar-Gemeinde in Greifswald gehalten hat.)
Noch keine Kommentare