Abu Hamid al-Ghazali gilt bis heute als einer der bedeutendsten religiösen Denker des Islams. Im Jahre 1095 verfasste er sein berühmtes Werk „Die Inkohärenz der Philosophen“, in dem er die Meinung vertritt, dass die Idee eines Universums ohne Anfang eine absurde Vorstellung ist. Das Universum muss einen Anfang haben und da nichts ohne Grund zu existieren beginnt, spricht dieses sehr stark für einen Schöpfergott, so al-Ghazali. Sein Argument lautet wie folgt:
„Jedes Sache, die beginnt, hat einen Grund für ihr Beginnen. Da auch die Welt einmal angefangen hat zu beginnen, besteht auch hierfür ein Grund.“
In eigenen Worten: Alles, was existiert, hat einen Grund dafür, warum es existiert – entweder, weil es notwendigerweise aus sich selbst heraus existiert oder aufgrund eines externen Grundes. Das klingt vielleicht etwas kompliziert, ich gebe daher mal ein Beispiel dafür, wenn ich sage: „Etwas existiert notwendigerweise aus sich selbst heraus“ Hier kommt es: Mathematische Objekte existieren aus sich selbst heraus – Zahlen etwa. Zahlen haben keinen Grund für ihre Existenz, sie existieren zwangsläufig aus sich selbst heraus. Heißt: Es ist unmöglich für sie, nicht zu existieren. Andere Dinge hingegen haben externe Gründe für ihre Existenz. Bäume, Stühle, Smartphones usw. – alle haben externe Gründe dafür, weshalb es sie gibt. Diese Dinge existieren nicht notwendigerweise aus selbst heraus, wie es etwa bei Zahlen der Fall ist.
Da es nun keinen zwingenden Grund dafür gibt, weshalb das Universum – im Gegensatz zu Zahlen – notwendigerweise aus sich selbst heraus existieren muss, heißt das, dass das Universum einen externen Grund hat, zu existieren. Aus diesen beiden Prämissen folgt, dass das Universum einen Grund hat. Dieser Gedankengang ist recht einfach: Wenn die beiden ersten Annahmen stimmen, folgert daraus logisch die Stimmigkeit der Schlussfolgerung. Die große Frage ist also: Ist es glaubhafter, dass diese Aussagen eher richtig oder eher falsch sind? Nun, ich bin davon überzeugt, dass beide Prämissen richtig sind. Das möchte ich im Folgenden einmal näher erläutern.
Prämisse 1: Alles, was anfängt zu existieren, hat einen Grund
Ich denke, dass dieser Gedanke jedem vernünftigen Menschen durchaus einleuchtend erscheinen dürfte. Denn der Annahme, dass das Nichts dazu in der Lage ist, etwas ins Dasein zu bringen, ist mehr als absurd. Aber bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Als überzeugter Christ habe ich ja gar keine Bauchschmerzen mit der Sicht, dass etwas aus dem Nichts entstehen kann (Stichwort: Urknall). Mein gesunder Menschenverstand schlägt aber dann Alarm, wenn ich annehmen soll, dass eine Sache durch Nichts ins Dasein kam. Und so wäre es ja, wenn es Gott nicht gibt – dann ist das Universum durch Nichts ins Dasein genommen. Dann sind Raum, Zeit und Materie durch Nichts entstanden. Das muss man sich ja einmal auf der Zunge zergehen lassen: Etwas soll durch Nichts entstanden sein – ein nicht nur unvorstellbarer, sondern ganz & gar unmöglicher Gedanke.
Wer sagt, dass etwas grundlos bzw. durch Nichts entstehen kann, läuft – meiner Ansicht nach – stark Gefahr, intellektuell unredlich zu werden. Und mit „Nichts“ meine ich ja noch nicht einmal leeren Raum. Nein, mit Nichts meine ich wirklich die völlige Abwesenheit von allem, sogar Raum selbst. Aber: Das ist schlichtweg unmöglich. Es erscheint also sehr unsinnig zu sagen: „Das Universum, sprich Raum, Zeit und Materie kamen vor vielen Milliarden Jahren ins Dasein – die Ursache: durch Nichts!“ Quentin Smith, Professor an der Western Michigan University, sagte mal, dass hier die rationalste Erklärung sei: Das Universum käme
„from nothing, by nothing, and for nothing“.
Und Smith hat Recht: Wenn Gott nicht existiert, dann ist das Universum wirklich durch Nichts entstanden. Aber kommt das nur mir überaus unglaubwürdig vor? Nein, bleiben wir vernünftig: Das geht nun einmal nicht. Das ist meiner Ansicht nach sogar noch schwieriger zu glauben, als zumindest mal die Möglichkeit einzuräumen, dass Gott doch existiert. Ist es „Nichts“ möglich, irgend etwas zu tun? Sie kennen sicher einen Satz wie: „Nichts konnte mich aufhalten.“ Heißt das also, dass Sie letztlich doch etwas aufhalten konnte – nämlich Nichts? Nein, das heißt es natürlich nicht. Es wäre sehr falsch, diesem kleinen Wort mehr zu zusprechen, als es in der Lage ist zu tun. Denn Nichts kann nur eines tun: nichts. Stephen Hawking, der derzeit wohl promintenteste Astrophysiker der Welt, schreibt:
Because there is a law such as gravity, the universe can and will create itself from nothing. Spontaneous creation is the reason there is something rather than nothing, why the universe exists, why we exist.
John Lennox, Oxford-Professor der Mathematik schreibt als Replik zu Hawkins das Folgende:
Physical laws can never provide a complete explanation of the universe. Laws themselves do not create anything, they are merely a description of what happens under certain conditions. What Hawking appears to have done is to confuse law with agency.
Lennox liegt richtig: Ein Gesetz wie die Schwerkraft kann nichts erschaffen, es beschreibt lediglich, was unter bestimmten Umständen geschieht. Und die wichtigste Frage bleibt ja: Welchen Ursprung haben die physikalischen Gesetze wie etwa das der Schwerkraft? In der allgemeinen Relativitätstheorie wird die Gravitation z.B. als eine Krümmung der Raumzeit gedeutet. Demnach müssen Raum und Zeit bereits existieren, damit Schwerkraft existieren kann. Woher kommen aber Raum und Zeit? Und auch andere Modelle wie die Stringtheorie und Loop-Quantengravitation liefern uns keine Erklärungen, in denen der Ursprung Schwerkraft nicht auf etwas hinter der Schwerkraft verschoben wird.
Außerdem: Wenn etwas durch Nichts entstehen könnte, dann ist es unerklärlich, warum nicht auch andere Dinge einfach so entstehen. Warum entstehen nicht zum Beispiel Bäume, Flüsse, Planeten etc. einfach so? Warum ist es nur das Universum, das durch Nichts entstanden ist, aber sonst seitdem nichts mehr? „Moment“, sagen einige nun vielleicht, „dass Prämisse ist ja auch wahr für alles im Universum, aber scheinbar nicht für das Universum selbst.“ Bei allem Respekt vor dieser Meinung muss ich aber anmerken, dass man die Kausalität „Alles, was anfängt, zu existieren, hat einen Grund“ sich nicht einfach so zu Recht biegen kann, wie man es möchte. Dieses Prinzip ist ja nicht nur ein Naturgesetz, sondern ein metaphysisches Prinzip, das für alles Existierende, für alle Realität gilt.
„Moment“, haken manche weiter nach, „wenn alles eine Ursache hat, welche Ursache hat dann Gott selbst?“ So gut ich diese Frage auch nachvollziehen kann, so lautet hier meine Gegenfrage: „Wenn gläubige Menschen Gott beschreiben, dann meinen sie damit ein immaterielles Wesen, das nicht an Raum, Zeit und Materie gebunden ist – Gott existiert außerhalb davon. Aber kann jemand, der außerhalb von Zeit ist – also zeitlos ist – irgendwann mal angefangen haben, zu existieren? Denken Sie da gerne einmal in Ruhe drüber nach. Aber letztlich lautet die Antwort: „Nein, das kann es nicht.“ Warum? Weil ich bei einem Satz wie „Gott hat angefangen zu existieren“, die Komponente „Zeit“ mitdenke. Aber da Gott schon vor Entstehung der Zeit war, kann es keinen Zeitpunkt gegeben haben, an der er ins Dasein kam.
Ich habe aber vollstes Verständnis dafür, wenn Ihnen das seltsam ist. Und ich kann ihre Skepsis auch deshalb ganz gut nachvollziehen, da wohl niemand von uns dazu in der Lage ist, den Faktor „Zeit“ aus seinem Denken herauszunehmen. Auch ich natürlich nicht. Ich kann einfach nicht zeitlos denken. Deswegen fordert uns der Gedanke ja auch so heraus, dass Gott ewig und zeitlos ist – nicht angefangen hat, zu existieren. So knifflig das für uns auch sein mag, bitte Sie einfach nur darum, diesen Gedanken zumindest mal für einen kurzen Augenblick zuzulassen.
Prämisse 2: Das Universum hat einst zu existieren begonnen
Zur Zeit al-Ghazals, sprich im 11./12. Jahrhundert, gab es noch keine wissenschaftliche Erkenntnisse darüber, dass das Universum begonnen hat, zu existieren. al-Ghazal lieferte dennoch ein starkes philsophisches Argument, warum es einen bestimmten Zeitpunkt gegeben haben muss, an dem das Universum zu existieren begonnen hat. Sein Argument lautet wie folgt:
Wenn das Universum niemals begonnen hat, zu existieren, so ist die Anzahl an Ereignissen, die in der Vergangenheit liegen, unendlich.
Dieser Gedanke ist nun gar nicht so einfach, wie er vielleicht aussieht, daher noch einmal: Wenn das Universum niemals zu existieren begonnen hat, dann ist die Anzahl an vergangenen Ereignissen unendlich. Aber das, sagt al-Ghazal weiter, ist unmöglich. Es ist nicht praktisch möglich, dass die Anzahl an Ereignissen, die in der Vergangenheit liegen, unendlich ist. Warum nicht? Weil eine unendliche Anzahl an Dingen in der Wirklichkeit nicht existiert. Unendlichkeit gibt es nur in der Theorie. al-Ghazal beweist diese Unmöglichkeit, in dem er aufzeigt, wie es sein würde, wenn dies doch sein würde – und welche absurde Konsequenz sich daraus ergibt.
Ein Beispiel zur Illustration: Stellen Sie vor, Sie hätten eine unendliche Anzahl an Münzen. 1,2,3… bis unendlich. Stellen Sie sich nun vor, ich würde Ihnen alle ungeraden Münzen wegnehmen. Wie viele Münzen hätten Sie jetzt noch? Natürlich immer noch unendlich viele, nämlich alle gerade Münzen – und die sind ja auch in einer unendlichen Anzahl vorhanden. Wir sehen: Unendlich minus unendlich ist scheinbar unendlich.
Aber stellen Sie sich nun einmal vor, dass ich Ihnen alle Münzen wegnehme, die größer sind als 5. Wie viele Münzen hätten Sie jetzt noch? Die Antwort lautet: 5. Wir sehen: Unendlich minus unendlich ist 5. In beiden Fällen habe ich Ihnen eine gleiche Anzahl an Münzen von einer gleichen Anzahl an Münzen weggenommen. Letztendlich kommen wir aber zu zwei widersprüchlichen Lösungen. Nun ist es in der Tat so, dass Sie mit der Formel „unendlich minus unendlich“ wirkliche jedes Ergebnis erhalten können – von 0 bis unendlich. Aber das ist alles nur in der Theorie möglich. Das ist nur ein Beispiel davon, zu zeigen, dass Unendlichkeit nur eine Idee in unseren Köpfen ist. Unendlichkeit existiert nicht in der Realität. David Hilbert, einer der bedeutendsten Mathematiker der Neuzeit, drückt es wie folgt aus:
„Das Unendliche ist nirgends in der Wirklichkeit zu finden. Es existiert weder der Natur, noch ist es eine legitime Grundlage rationalen Denkens. Die einzige Rolle, die für das Unendliche bleibt, ist die einer Idee.“
Aber das bedeutet, dass Ereignisse der Vergangenheit – da sie ja keine Ideen sind, sondern reale Geschehnisse – in endlicher Anzahl vorliegen. Die Anzahl vergangener Ereignisse kann nicht ewig zurückgehen. Da also keine unendliche Vergangenheit existieren kann, muss das Universum zu irgendeinem Zeitpunkt angefangen haben, zu existieren. Und auch wichtig: Da das Konzept der Unendlichkeit absurd und nicht in der Wirklichkeit möglich ist, heißt das, dass es auch keine unendliche Anzahl an Ursachen geben kann. Es muss also irgendeinen „ersten Grund“ für all das geben, was angefangen hat, zu existieren.
Ein wissenschaftlicher Beweis
Was al-Ghazali einst noch fehlte, ist uns heute erfreulicherweise durch unseren technischen Fortschritt zugänglich. Entdeckungen in der Astronomie und der Astrophysik geben uns heutzutage einen sehr starken Beweis dafür, dass das Universum nicht ewig ist, sondern einen fixen Zeitpunkt kennt, an dem es begonnen hat, zu existieren – zu einem Zeitpunkt, der etwa ca. 13,75 Mrd. Jahre zurück liegt und den wir allgemein als den „Urknall“ kennen. Und das Urknall- oder Standardmodell ist auch heute noch die wissenschaftlich anerkannte kosmologische Theorie zur Entstehung des Universums.
Viele Alternativen zur Urknalltheorie wurden bis dato vorgeschlagen, u.a. die Steady-State-Theory, Oscillating Models, Vacuum Fluctuation Models, das Chaotic Inflationary Model, Quantum Gravity Models, Ekpyrotic Models etc (vgl. J. Lennox, Hat die Wissenschaft Gott begraben?: Eine kritische Analyse moderner Denkvoraussetzungen, 2011). Aber jedes Mal, wenn diese Theorien und Modelle daran scheiterten, einen absoluten Anfang des Universum zu verneinen, bekräftigte dies die Aussage des Urknallmodells umso mehr. Es ist also unbestritten, dass es viele Alternativerklärungen für den Beginn des Universums gibt. Alan Guth, Professor für Physik am MIT, fasst jedoch zusammen:
Die Urknalltheorie hat in der Wissenschaft einen großen Rückhalt. Jeder, die sie nicht akzeptiert, wird von der Wissenschaftsgemeinschaft als verrückt angesehen.
Was den Urknall so besonders macht, ist die Tatsache, dass er den Ursprung des Universum aus dem Nichts beschreibt. Und wie gesagt: Damit habe ich keinerlei Probleme. Raum, Zeit, Energie, Materie – alles kam erst mit dem Urknall. Der Physiker Paul Davies liegt daher ganz richtig, wenn er schreibt, dass alles Physikalische im wahrsten Sinne des Wortes aus dem absoluten Nichts kam. Dem stimmte ich zweifelsfrei zu: Das Universum kam aus dem Nichts. Der Oxfordprofessor Anthony Kenny schreibt hierzu:
A proponent of the Big Bang Theory, at least if he is an atheist, must believe that the matter of the universe came from nothing and by nothing.
Wie gesagt: Ich finde, dass unser gesunder Menschenverstand allerspätestens dann Alarm schlagen sollte, wenn wir zu denken versuchen, dass Etwas durch Nichts entstanden ist. Vielleicht gehen ja auch Sie davon aus – und ich sage nun auch gar nicht, dass man so nicht denken aber. Aber bei allem Respekt: Wie soll das gehen? Wie soll unser Universum durch Nichts gekommen sein? Denken Sie wirklich, dass das möglich ist? Denken Sie, dass Dinge einfach so durch Nichts entstehen können? Diesen Gedanken empfinde ich als mehr als gewagt. Ich denke: Etwas kann nicht durch Nichts entstanden sein. Es muss immer einen Grund dafür geben, warum Dinge wie unser Universum aus dem Nichts ins Dasein gekommen sind.
Und da der ursprüngliche Grund für Zeit und Raum logischerweise hinter Raum und Zeit liegen muss – also nichts Physikalisches oder Materielles sein kann – liegt es nahe, dass dieser erste Grund für Dinge wie Zeit, Raum und Materie etwas Zeitloses, Raumloses und Immaterielles sein muss, das dazu in der Lage ist, solche Dinge aus dem Nichts ins Dasein zu bringen. Ich sehe hierfür nur zwei logische Möglichkeiten: Zum einen kann es sich um ein abstraktes Objekt, wie eine Zahl, handeln. Zum anderen ein zeitloses, raumloses und immaterielles Wesen. Da aber abstrakte Zahlen nichts verursachen können, liegt es nahe und ist vernünftig anzunehmen, dass die Ursache des Universums von einem transzendenten Wesen geschaffen wurde.
Schlussfolgerung
Denken Sie gerne einmal für sich über die vorgebrachten Gedanken nach. Wenn Sie den Annahmen zustimmen, dass alles, was anfängt zu existieren, einen Grund haben muss und das unser Universum einst angefangen hat, zu existieren – dann bedeutet das: Auch unser Universum hat einen Grund. Und da auch erst mit der Entstehung unseres Universums Raum, Zeit und Materie angefangen haben zu existieren, heißt das, dass etwas außerhalb von Raum, Zeit und Materie dieses Dinge geschaffen haben muss.
Während es also ein sehr unvernünftiger Gedanken ist, dass das Universum einfach so durch Nichts entstanden sein soll, ist es hingegen eine sehr vernünftige – weil logische – Erklärung, dass der Grund für die Entstehung des Universum jemand ist, der jenseits von Zeit, Raum und Materie existiert. Das ist meiner Ansicht nach sogar die beste Erklärung – hätten Sie eine bessere?
JA, es gibt eine sachlich bessere Erklärung!
Abu Hamid al-Ghazali wusste NICHTS über das Universum.
Seine Sicht war auf das beschränkt, was er sehen, erfassen konnte und entsprechend gedacht hat.
Die Wissenschaft ist – heute – in der Lage den Urknall auf Grund der sog. Hintergrundstrahlung als stattgefunden zu belegen (sehr simplifiziert ausgedrückt), aber die Wissenschaft ist derzeit NICHT in der Lage zu sagen was den Urknall ausgelöst hat, geschweige denn, was vor dem Urknall war.
Im Vergleich zu Abu Hamid al-Ghazali sicher ein gewaltiger Fortschritt – aber keinesfalls das Ende der Überlegungen.
Auch in diesem Fall vermuten sie nur!
Versuchen sie nicht die Arbeit der Wissenschaft durch metaphysische Annahmen (die wie sie wissen, unwissenschaftlich sind) zu erledigen.
Rechnen sie damit, dass es irgendwann Antworten gibt, von denen sich weder Sie, noch
Abu Hamid al-Ghazali etwas haben träumen lassen.
Die Frage nach dem Urgrund lässt sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ohnehin nicht durch Forschung beantworten.
matthias
Danke auch für diesen Beitrag, aber Sie sprechen da al-Ghazali ja mehr Kompetent zu als ich. Ich erwähne ihn nur, weil er einst ein starkes philsophisches Argument dafür geliefert hat, warum es einen bestimmten Zeitpunkt gegeben haben muss, an dem das Universum zu existieren begonnen hat. Und was al-Ghazali an wissenschaftlichen Know-how natürlich fehlte, ist uns heute erfreulicherweise durch unseren technischen Fortschritt zugänglich.
Aber natürlich haben Sie Recht: Das ist der aktuelle Stand der Forschung, was in 100 Jahren ist, wissen wir nicht. Aber auf diesem Gedanken kann man ja nicht wirklich aufbauen. Was bleibt uns anderes übrig als mit den Fakten zu arbeiten, die uns derzeit zur Verfügung stehen? Und die aktuellen Daten legen nun einmal nahe, dass zu einem konkreten Zeitpunkt Raum, Zeit, Energie und Materie ins Dasein kamen. damit Und diese Gedanken erzwingen die Existenz Gottes natürlich nicht, machen sie aber auch nicht unmöglich.
da capo:
Dann lassen sie mich einmal eine „steile Theorie“ präsentieren:
Was ist von der Idee zu halten, dass unser Universum EINE Erscheinungsform eines großen „Super-Universums“ ist, das permanent neue Universen gebiert, während andere vergehen. Wir würden uns danach in einem „Übergangsuniversum“ befinden mit ganz speziellen Bedingungen, die unser Leben möglich macht(e).
Das gedachte „Superuniversum“ wäre dann das Prinzip, die Idee (Gott???) die die Wirklichkeit der Welt ausmacht.
Und ob, theoretisch, Gott dann personell in unser Leben eingreift???
Was halten sie davon? Es ist ja nur ein Gedankenspiel – ein Modell.
matthias
Ich denke, dass Ihr Modell die Existenz (eines) Gottes nicht unmöglich werden lässt. Das ist nun vielleicht nicht die Richtung, die Sie gerne ansteuern möchten. Aber ist es nun einmal die Frage, um die es in diesem Blog vornehmlich geht.
Das habe ich ja auch nicht behauptet – sie wissen ich bin KEIN Atheist.
Meine Theorie geht davon aus das:
Das gedachte „Superuniversum“ wäre das Prinzip, die Idee (Gott???) die die Wirklichkeit der Welt ausmacht.
Ihr Konzept unterstellt einen personellen Gott, meine Theorie anerkennt das göttliche Prinzip, unterstellt aber nicht das personelle Eingreifen Gottes eingebunden in „Schuld und Sühne“.
Lassen sich da keine Brücken bauen?
matthias
Ich würde sagen, dass meine These des real existierenden Gottes besser zur Lebenswirklichkeit der Menschheit passt als Ihre These, die kein personelles Eingreifen Gottes postuliert. Denn es gibt ja die Glaubenserfahrungen von Milliarden von Menschen (Muslime, Juden, Christen, Hindus etc.). Und das nicht nur in einem bestimmten Jahrzehnt oder Jahrhundert, sondern durch die Zeit hinweg.
Sind sie sicher?
Ihre Glaubenserfahrung, die Milliarden von Menschen benennt, muss sich gefallen lassen, dass es sich um Milliarden individuelle und z. T. sehr unterschiedlichen „Gotteserfahrungen“, die in Wirklichkeit nichts anderes als milliardenfache Imaginationen sind, handelt.
Mein Modell hat den nicht zu übersehenden Vorteil, dass der Urknall mathematisch nachweisbar und, nach der von ihnen an anderer Stelle besonders hervorgehobene Wahrscheinlichkeit, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachweisbar sein wird.
Die sich daraus ergebende Überlegung eines „Superuniversums“ oder „Multi-Versums“ wird von ernstzunehmenden Wissenschaftlern als denkbare „nächste ‚Erkenntnisstufe“ diskutiert.
Ihre These besteht seit Jahrhunderten, Jahrtausenden unverändert – ohne jeden Beweis.
Immer noch so sicher?
matthias
Sicher, man kann sagen: “Das ist alles nur Imagination.” Aber das genügt ja nicht, gerade nicht bei dieser großen Masse. Denn hier stellen Sie ja prinzipiell und von Vorneherein in Frage, was diese Leute gesagt haben, erlebt zu haben und sagen: “Das stimmt gar nicht. Ich weiß es viel besser, was Du erlebt hast.” Das ist aber aus meiner Sicht kein offener Forschungsansatz, sondern einer, der ein starres Denksystem hat – und bei dem das, was der andere erlebt hat, so gedeutet, dass es ins eigene System passt.
Wenn ich allerdings so vorgehe, dann wird es nie Argumente geben, die mein Weltbild in Frage stellen. Das wäre dann vielleicht vergleichbar mit dem geschlossenen Weltbild des Mittelalters, wo man auch alle Dinge ins vorherrschende System gebracht hat. Ein geschlossenes Weltbild, das nichts als seine eigenen Gedanken zulässt, ist daher im wahrsten Sinne des Wortes „mittelalterlich“.
Hallo,
schön zu lesen.
Nur was ich mich immer Frage ist, wer hat denn Gott erschaffen?
Er kann ja nicht aus dem Nichts entstanden sein.
Danke für den Kommentar (und die Blumen). Ich hatte einst schon einmal eine Antwort auf eine Frage wie die Ihre beantworten. Den Text dazu finden Sie hier: http://www.mitdenkend.de/39/
Falls diese Gedanken nicht genau die treffen, die Sie im Kopf haben, schreiben Sie gerne wieder.
„Alles, was anfängt zu existieren, hat einen Grund“. Das ist eine selbstwidersprüchliche Aussage, also maximal falsch. Falscher als das geht es nicht.
Warum?
Nehmen wir die Gesamtheit aller Dinge, die existieren. Das ist eine Menge, die alles umfasst, was es gibt, uns, Sterne, das Universum, alles – auch Gott, wenn er existiert. Was nicht existiert ist nicht Teil dieser Menge.
Hat diese Menge einen Ursprung oder eine Ursache? Wenn nein, dann entspricht dies einer Entstehung aus dem Nichts, ohne Ursprung, ohne Ursache. Wenn ja, dann gehört dieser Ursprung zur Menge aller Dinge, die existieren, denn sonst behaupte ich ja, dass alles ohne Ursprung existiert. Damit etwas ein Ursprung sein kann, muss es in erster Linie existieren. Aber damit gehört es zur Menge aller Dinge, die existieren!
Und wieder hat die Menge aller Dinge, die existieren, keinen Ursprung und keine Ursache. Es spielt keine Rolle, wir können unendlich viele Dinge hinzufügen, es bleibt dabei.
Man kann sagen „Gott braucht keine Ursache und keinen Ursprung“, aber damit widerspricht man der Aussage, dass alles, was existiert, eine Ursache benötigt.
Ursprünglich war die Aussage „Alles, was zu existieren BEGINNT, hat eine Ursache“. Nur setzt dies ein antikes Konzept einer absoluten Zeit voraus. Wir wir wissen, würde unser Universum komplett anders aussehen, wenn es eine absolute Zeit gäbe. In der Tat gibt es nur eine LOKALE Zeit – daher gibt es im Universum keine Gleichzeitigkeit. Zeit ist relativ: Sie ist von der Existenz von Materie abhängig. Sie entsteht, wenn etwas zu existieren beginnt, sie hört auf, wenn es zu existieren aufhört.
Was aber auch bedeutet: Zeitlich gibt es keinen Beginn! Alles, was existiert, existiert zu allen Zeiten, die es gibt. Weil Zeit mit seiner Existenz beginnt. Und es gibt kein „vorher“, kein „vor Beginn der Existenz“, weil das VOR wiederum Zeit voraussetzt, aber die gibt es nicht. ALLES, was existiert, existiert alle Zeit, hat damit keinen Beginn in der Zeit.
Was bedeutet: Nichts, was zu existieren beginnt, kann eine Ursache haben oder einen Ursprung, weil dieser existieren müsste, BEVOR es Zeit gibt. Das setzt aber Zeit voraus.
Daher ist die Behauptung „Alles, was zu existieren beginnt, hat eine Ursache“ definitiv falsch. Sondern es muss heißen „Nichts, was zu existieren beginnt, kann eine Ursache haben“.
Das gilt für alles, was existiert. Daraus folgt, dass es keine „Schöpfungsursache“ geben kann. Gott existiert nicht.
Man muss es nur zu Ende denken. Wenn man das nicht tut, kommt man auf solche falsche Ideen.
Lieber Herr Dittmar,
danke für Ihren Beitrag. Aber bei allem Respekt: Im Lichte der Urknalltheorie kann ich Ihnen nicht zustimmen. Wie geschrieben: Entdeckungen in der Astronomie und der Astrophysik geben uns heutzutage einen sehr starken Beweis dafür, dass das Universum nicht ewig ist, sondern einen fixen Zeitpunkt kennt, an dem es begonnen hat, zu existieren – zu einem Zeitpunkt, der etwa ca. 13,75 Mrd. Jahre zurück liegt und den wir allgemein als den “Urknall” kennen.
Raum, Zeit, Energie, Materie – alles kam erst mit dem Urknall. Der Physiker Paul Davies liegt daher ganz richtig, wenn er schreibt, dass alles Physikalische im wahrsten Sinne des Wortes aus dem absoluten Nichts kam. Dem stimmte ich zweifelsfrei zu: Das Universum kam aus dem Nichts. Der Oxfordprofessor Anthony Kenny schreibt hierzu:
Darüber hinaus sind Sie etwas an der Kernargumentation vorbeigeschwommen, aber darauf will ich nun gar nicht eingehen, sondern etwas mMn weitaus Wichtigeres ansprechen:
Ich „erwische“ Sie immer wieder dabei, dass Sie versuchen, den christlichen Glauben auf Nebenkriegsschauplätzen zu attackieren, die im Grunde nicht wirklich viel zur Antwortsuche beitragen, ob es denn letztlich stimmt, was Christen glauben.
Nun, wie Sie vielleicht wissen: Der christliche Glaube entscheidet sich nur an einer Thematik – und zwar einzig und allein an der Person Jesus Christus. Christen glauben schließlich in erster Linie nicht an ein Buch, sondern an eine Person. Sicherlich, Themen wie das Universum sind intellektuell spannend; wirklich helfen bei der Fragestellung, ob das stimmt, was Christen glauben, tun sie aber nicht.
Und es ist ja vollkommen in Ordnung, wenn Sie dem, was Christen glauben, mit Skepsis begegnen – das ist nicht nur erlaubt, sondern sogar erwünscht. Aber ertragreicher für alle Seiten wäre es sicherlich, wenn Sie Ihren Fokus auf Jesus, sprich den Kern des christlichen Glaubens, lenken würden. Denn an diesem entscheidet sich wie gesagt der christliche Glaube.
Das, worüber wir uns hier gerade unterhalten (sprich: Kosmos, Universum, Urknall etc.), mag wie gesagt intellektuell spannend sein. Aber weder ich kann Gott mit dem „Universums-Argument“ klar beweisen, noch können Sie ihn damit eindeutig widerlegen. Es wäre naiv, davon auszugehen. Wir geben hier maximal Gedankenanstöße, die anderen vielleicht dabei helfen, sich eine eigene Meinung zu bilden. Aber für den Angriff bzw. die Verteidigung des christlichen Glaubens tragen wir mit solchen Themen leider herzlich wenig dazu bei.
„Wenn Gott nicht existiert, dann ist das Universum wirklich durch Nichts entstanden.“
Wenn es diesen Gott gäbe, der aus Nichts Alles gemacht hätte, dann hätte es diesen Gott und das Nichts zeitgleich nebeneinander geben müssen. Weil aber Nichts nur existieren kann, wenn nichts anderes da ist, schließt dieser Umstand die Existenz eines zusätzlichen Gottes aus. Wäre alleine Gott vor allen Dingen immer schon dagewesen, dann kann es nie ein Nichts gegeben haben. Somit ist Schöpfung aus dem Nichts blanker Unsinn. Außer, wenn das Nichts selbst der Schöpfer von allem anderen ist.
So wie für uns ein Schöpfer unvorstellbar und ein ganz und gar unmöglicher Gedanke bleibt, ist es beim Nichts ebenso. Das Nichts findet sich trotzdem überall, es hält alles zusammen. Ein Schöpfer im Nichts ist undenkbar und löst sich in Nichts auf. Was ganz im Anfang zurückbleibt, ist alleine das Nichts.
Danke für den guten Einwand.
Mit „Nichts“ ist ein Zustand gemeint, der sich durch die Nicht-Existenz von Raum, Zeit, Energie und Materie auszeichnet – aus naturalistischer Sicht ist das natürlich „Nichts“. Gott, sofern es ihn gibt, steht freilich hinter diesen Dingen. Ein Beispiel: Der Schöpfer der Materie kann natürlich nicht aus Materie bestehen etc.