Ich kann ja selbst nicht frei bestimmen, welche Ideen mir kommen, während ich abwäge, sondern die kommen mir. Ich sagen Ihnen, wenn Sie vor einer schwierigen Entscheidung stehen, überlegen Sie sich, was sie tun werden. Und welche Überlegungen ihnen dann kommen, ist nachweisbar nicht ihrem Willen unterworfen, sondern dem einen kommen gute Gedanken, dem anderen kommen keine guten Gedanken. Und das machen andere Teile des Gehirns für sie, nämlich der Hippocampus, die das Gedächtnis kontrollieren. Und dem einen fallen eben viele Alternativen ein, dem anderen fallen wenig Alternativen ein und das kann man nicht steuern, sonst wäre ja jeder Mensch, den man auffordert, lass Deinen Verstand walten, gleichermaßen klug.Genauso sieht es auch Wolf Singer, emeritierter Neurowissenschaftler am Max-Planck-Institut für Hirnforschung in Frankfurt am Main. Nicht der bewusste Geist arbeitet autonom, sondern das Gehirn. Das Gehirn erzeugt ja diese Illusion, dieses Gefühl der willentlichen Täterschaft nicht zufällig, sondern im Dienste einer sehr komplexen Handlungsplanung. Es wird eben dieser virtuelle Akteur eingerichtet, der da scheinbar handelt und plant. Und das ist auch offenbar richtig so. Das heißt, wenn es eine Illusion ist – ist vielleicht ein unglückliches Wort – dann ist es eine notwendige Illusion.
Danke für Ihr Statement. Und es stimmt ja: Neurowissenschaftler wie Singer oder Roth äußern (vermehrt) den Standpunkt, dass unser freier Wille eine Illusion sei. In diesem Zusammenhang wird zumeist gesagt, dass die Vorstellung eines freien menschlichen Willens mit wissenschaftlichen Überlegungen prinzipiell nicht vereinbar sei. Fragt man bei Singer und Kollegen einmal nach, warum dem so sein soll, bekommt man zu hören, dass es Studien gibt, die erstens zeigen:
a) Unserem Tun und Handeln liegen deterministische neuronale Prozesse zugrunde. b) Das subjektive Erleben, d.h., dass ich der Urheber meines Tuns bin, lässt sich täuschen. c) Vermeintlich selbst initiierte Handlungen werden durch unbewusste Faktoren ausgelöst. Und das alles, so sagen uns Neurowissenschaftler, untergräbt unseren freien Willen.
Ich möchte zu jedem dieser Gedanken zumindest mal einen Satz sagen, mit denen ich deutlich machen möchte, dass es um unsere Freiheit empirisch doch vielleicht gar nicht so schlecht bestellt ist, wie die Bemerkungen von gerade suggerieren:
Erster Gedanke: Der Determinismus kommt immer wieder ins Spiel. Empirisch ist das vollkommen irrelevant; er wird vielmehr einfach vorausgesetzt. (Dazu gleich noch etwas.) Sie können eben durch kein empirisches Experiment den Determinismus nachweisen. Empirische Daten stützen immer nur statistische Korrelationen, aber keinerlei deterministische Zusammenhänge.
Im Übrigen ist es wohl eines der größten Laster der Neurowissenschaft, dass sie (bis heute) von überholten mechanistisch-deterministischen Vorstellungen ausgeht, von der sich z.B. die moderne Physik schon längst gelöst hat. Diese zugrunde gelegten veralteten Vorstellungen führen selbstredend zu Fehlschlüssen über den freien Willen. Lesenswert in diesem Zusammenhang ist z.B. das hervorragende Buch „Mythos Determinismus: Wieviel erklärt uns die Hirnforschung?“ von Prof. Dr. Dr. Brigitte Falkenburg (Universität Dortmund).
Zweiter Gedanke: Empirische Experimente müssen vereinfachen, d.h. die Handlungen, deren Unfreiheit nachgewiesen wird, bestehen überlicherweise darin, dass Probanden eine Taste drücken. Diese Alltagshandlungen und Entscheidungen, an deren Freiheit uns aber wirklich gelegen ist, sind experimentell allerdings vollkommen unzugänglich (z.B. Fahre ich im Sommer ans Meer oder in die Berge?, Studiere ich in Berlin oder in Hamburg? etc.)
Dritter Gedanke: Dass sich in aufwändigen Laborsituationen das subjektive Gefühl der Urheberschaft täuschen lässt, sagt natürlich noch nichts darüber aus, ob wir uns auch permanent im Alltag darüber täuschen, dass wir es sind, die etwas tun.
Letztlich ist zu sagen, dass Hirnforscher mit Sicherheit nicht die ersten sind, die uns unseren freien Willen austreiben wollen und sie werden mit aller Wahrscheinlichkeit auch nicht die letzten bleiben, die das versuchen. Sie sind aber die ersten, die dabei den Anschein erwecken wollen, sie hätten philosophische Spekulationen durch wissenschaftliche Exaktheit ausgetauscht. Das ist jedoch gut begründet zu bezweifeln.
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