Nichtexistenz kann man nicht beweisen.
Danke für diesen Einwand. Dass man die Existenz von X durchaus beweisen kann, lernt man bereits in den ersten Semestern Philosophie: Die Nicht-Existenz von X ist dann bewiesen, wenn aus der Existenz von X ein Widerspruch folgt. Suchen Sie sich ein passendes Beispiel aus. Zu sagen „Es gibt deshalb keine Beweise gegen Gott, weil (seine) Nicht-Existenz nun mal nicht bewiesen werden kann”, ist daher kein plausibles Argument gegen Gott.
Viele fragen an dieser Stelle jetzt völlig zu Recht:
Aber solange mir keine angemessen scharfe Definition von Gott vorliegt, kann ich nun einmal nicht beurteilen, ob seine Existenz zu einem Widerspruch führt.
Das ist natürlich vollkommen richtig und an einer Definition, was Christen unter „Gott“ verstehen, soll es natürlich nicht scheitern. In Anlehnung an Swinburne, ein prominenter christlicher Philosoph, bezieht sich „Gott“ als Eigenname biblisch gesehen auf ein Wesen, auf das die folgende Beschreibung zutrifft: Es ist immateriell, zeitlos bzw. ewig, allmächtig, allwissend, jeden Mensch liebend, vollkommen gut, heilig und gerecht und Schöpfer über aller Dinge.
Die meiner Ansicht aber beste Definition Gottes schlägt Anselm v. Canterbury vor, wenn er sagt, dass Gott das in jeder Hinsicht größte vorstellbare Wesen ist. Wenn wir von etwas noch größer als von Gott denken können, dann wäre das Gott. Das mag manchen aber vielleicht zu unkonkret sein, in diesem Fall würde ich wie gesagt auf obige Definition anbieten.
Nichtsdestrotz lässt diese aber auch diese noch Raum für Interpretationen und Missverständnisse; denn was meint die Bibel z.B. damit, wenn Sie sagt: „Gott ist allmächtig“ oder „Gott ist allwissend“. Die Erfahrung zeigt, dass Glaubensskeptiker ihren kritischen Ausführungen zumeist Ihre eigene Interpretation dieser Begriffe zugrunde legen. Ich finde das auch absolut nachvollziehbar, schließlich ist es die Aufgabe des Christen zu sagen, was er bzw. die Bibel mit einem bestimmten Begriff meint.
Es sei allerdings bereits vorab gesagt: Jeder von uns – inklusive mir – sollte so ehrlich zu sich selbst sein und sich eingestehen, dass wir uns zwar sicherlich gute und tiefgründige Vorstellungen über Gott machen können; aber gerade vor dem Hintergrund, dass jeder von uns gewissen Beschränkungen unterworfen und Gott jemand ist, der u.a. zeitlos ist und somit eine Existenz führt, die wir, die an Raum und Zeit gebunden sind, nicht so leicht nachvollziehen kann, sollten wir niemals davon ausgehen, dass unsere Vorstellung von Gott auf jeden Fall fehlerfrei sein wird.
Ich weiß natürlich nicht, wie Sie sich selbst einschätzen, ich muss mir aber – so ungern ich das auch tue – immer wieder meine Beschränktheit in vielerlei Hinsicht eingestehen. Man möge es mir daher nachsehen, dass auch zwar um eine „angemessen scharfe“ Definition Gottes bemüht bin, sicherlich aber keine „passgenaue“ abliefern kann. Deswegen sind die Antwortvorschläge, die ich zu Gottes Wesensmerkmalen aufführen, auch genau das: Vorschläge. Aber nun los:
Gott ist allmächtig
Wenn die Bibel sagt, dass Gott allmächtig ist, meint sie damit, dass er keinem Diktat einer äußeren Macht untersteht – sondern nur sich selbst. Es gibt also nichts und niemandem außer ihm selbst, von dem Gott sich etwas vorschreiben lassen muss. Das nennt die Bibel (vollkommen zu Recht) „allmächtig“. Dass Gott z.B. nicht lügen kann, hat seine Ursache also nicht darin, dass ihm das von einer anderen Instanz auferlegt wird. Das einzige, was Gott zur Wahrheit verpflichtet, ist er selbst. Das entspricht vielleicht nicht dem, was wir spontan unter „allmächtig“ verstehen, aber das tut ja auch ehrlich gesagt wenig zur Sache. Schließlich geht es ja nicht um unser, sondern um das biblischen Allmachtsverständnis.
Vor diesem Hintergrund erübrigt sich auch solch eine Frage wie „Kann Gott einen Stein schaffen, den er selbst nicht heben kann?“ Alleine schon deshalb, da es sich hierbei lediglich um absurde Kombination von Wörtern handelt, wie es auch bei der Frage „Kennt Gott den Namen der Ehefrau des verheirateten Junggesellens?“ der Fall ist. C. S. Lewis schreibt hierzu:
Du darfst Ihm Wunder zuschreiben, aber nicht Widersinn. … Es bleibt wahr, dass alle Dinge bei Gott möglich sind; das innerlich Unmögliche [wie z.B. dieser Stein] aber ist nicht ein Ding, sondern ein Nichts. Es ist für Gott genauso wenig möglich wie für das schwächste Seiner Geschöpfe, von zwei einander ausschließenden Alternativen beide zu verwirklichen; nicht weil Seine Macht behindert wäre, sondern weil Unsinn eben Unsinn bleibt, selbst wenn er von Gott handelt.
Gott ist allwissend
Wenn die Bibel sagt, das Gott allwissend ist, meint sie damit u.a., dass Gott weiß alles, was notwendigerweise wahr ist, z.B. 2+2=4; wenn es regnet, regnet es; alles was eine Gestalt hat, hat eine gewisse Größe – alles Dinge also, die notwendigerweise wahr sind. Dieses allumfassende „Wahrheitswissen“ liegt in Gottes Wesen.
Gott weiß darüber hinaus auch bereits im Voraus, dass ich einmal die Aktion X tun werde. Es dürfte an dieser Stelle aber sicherlich auf der Hand liegen, dass wir mit solchen Phrasen wie „im Voraus“ gerade mit Hinblick auf das Wesen Gottes vorsichtig sein müssen: Allen Gedanken, die etwas Zeitliches beinhalten, liegt natürlicherweise die Kompontente „Zeit“ zugrunde, die für Gott, der außerhalb der Zeit existiert, nicht bindend ist. Es wäre daher – wenn aus menschlicher Sicht auch nur allzu verständlich – auch etwas zu vorschnell, die Aussage „Gott weiß, was passieren wird“ automatisch mit „Gott sieht, was passieren wird. Das Sache ist, wie sollte es auch anders, etwas komplizierter. Wer hier tiefer einsteigen mag, dem sei Craigs Klassiker „Time and Eternity: Exploring God’s Relationship to Time“ ans Herz gelegt.
Aber wie gesagt: Gott weiß bereits im Voraus, dass ich einmal die Aktion X tun werde. Auch das gehört zu seiner Allwissenheit. An dieser Stelle haken nun einige ein und sagen:
Aber wenn Gott bereits im Voraus weiß, dass ich eine bestimmte Sache tun werden, dann habe ich doch gar keine andere Wahl mehr, als diese Sache zu tun – und deshalb passiert alles, was passiert notwendigerweise.
Ich verstehe dieses Gedanken zwar, nichtsdestotrotz hat er ein logisches Problem. Das wird gut deutlich, wenn man sich die hier zugrunde liegende Denkstruktur einmal im Detail anschaut:
- Wenn Gott bereits im Voraus weiß, dass ich die Sache X tun werde, dann werde ich X notwendigerweise tun.
- Gott weiß bereits im Voraus, dass ich X tun werde.
- Deshalb muss ich X notwendigerweise tun.
Diese Logik mag auf den ersten Blick zwar bestechend wirken, ist sie aber nicht. Warum? Weil aus den ersten beiden Annahmen, die ich sogar bestätigen würde, nicht folgt, dass ich X notwendigerweise tun muss. Alles, was aus den ersten beiden Annahmen folgt, ist, dass ich X tun werde. Aber nicht, dass ich es notwendigerweise tun muss – ich könnte X immer noch sein lassen. Wenn ich das tun würde, würde Gott das natürlich auch bereits im Voraus wissen. Wenn X also eintritt, weiß das Gott bereits im Voraus. Wenn ich mich gegen X entscheide, weiß Gott auch das bereits im Voraus.
Ich versuche das mal, an einem Beispiel deutlicher zu machen: Gottes Wissen ist sozusagen so etwas wie ein „unfehlbares Barometer“. Ein Barometer irrt sich nie, es liegt stets richtig – aber es bestimmt natürlich nicht das Wetter. Wenn sich das Wetter ändert, ändert sich auch das Barometer. Ganz ähnlich ist es auch mit Gottes Vorwissen: Wir sind frei, alles zu tun oder sein zu lassen, was wir wollen. Wir sind aber nicht frei, das Barometer zu unterwandern. Gott weiß, was wir tun werden. Das heißt also: Unsere Handlungen stehen zwar in einem logischen Zusammenhang mit Gottes Vorwissen. Aber sein Vorwissen steht in einem chronologischen Zusammenhang zu dem, was wir tun werden.
„Dass man die Existenz von X durchaus beweisen kann, lernt man bereits in den ersten Semestern Philosophie: Die Nicht-Existenz von X ist dann bewiesen, wenn aus der Existenz von X ein Widerspruch folgt. Suchen Sie sich ein passendes Beispiel aus. Zu sagen „Es gibt deshalb keine Beweise gegen Gott, weil (seine) Nicht-Existenz nun mal nicht bewiesen werden kann”, ist daher kein plausibles Argument gegen Gott.“
Ich kann mich nicht mehr allzu gut an meine ersten Semester an der philosophischen Fakultät erinnern, aber ich weiß, dass selbst wenn sich von einem beliebigen X die Existenz beweisen ließe, der Satz: „Die Nicht-Existenz von X ist dann bewiesen, wenn aus der Existenz von X ein Widerspruch folgt“ in diversen Hinsichten ziemlicher Unfug ist. Auch wenn es formalisiert (formal-)logisch einen formal „wahren“ Schluß darstellen könnte. (KÖNNTE — Sicher bin ich mir da nicht.) Denn:
1.) wenn das konkrete X empirisch ist, dann mag ein Fingerzeig oder Photo als Beweis reichen. Nur bleibt es immer auch a) eine Frage der Definition, was ein Beweis ist / bzw. was als Beweis gilt… [anders gesagt: Beweise sind stets geltungstheoretisch limitiert) und b) hat das in einem theologischen / metaphysischen Kontext überhaupt nichts verloren, da metaphysische Gegenstände sich notwendig / per definitionem jedweden Fingerzeigs oder anderer empirisch gültiger Beweismittel entziehen.
2.) Aus der Existenz von X kann prinzipiell keinerlei Widerspruch folgen, weil aus keiner Aussage a (z.b.: X existiert / Y ist blau) irgend etwas folgen kann. Folgen kann nur etwas aus mindestens 2 Sätzen. Und weil aus der Aussage „X existiert“ per se rein gar nichts folgt, dann ganz sicher auch kein Widerspruch.
Und DARAUS FOLGT (dies waren nämlich 2 Sätze), dass aus der (vermeintlichen) Möglichkeit eines Existenz-Beweises prinzipiell nicht die Möglichkeit des Nichtexistenz-Beweises geschlossen werden kann.
3.) Mehr noch: aus der Prädikatenlogik geht hervor, dass weder Allquantor (Für alle X gilt „y“) noch Existenzquantor (Es gibt mindestens ein X für das gilt „y“) empirisch falsifizierbar sind. — Weil wir hierfür an allen Raumzeitpunkten gleichzeitig sein müssten. Anders gesagt: Die Nichtexistenz von einem beliebigen X (Gott / Einhorn / was-auch-immer) ist weder empirisch noch logisch beweisbar.
Das im Titel geführte (Schein-) Argument gegen die Existenz Gottes: „Nichtexistenz kann man nicht beweisen“ bleibt durch den ersten Absatz also völlig unberührt. Auch das Meiste, was folgt, ist leeres Wortgeklingel, weil es gar nicht auf jenes (Schein-)Argument zielt.
Ein echtes Argument gegen jenes Scheinargument ist allein dies: Aus der Tatsache, das sich die Nichtexistenz Gottes nicht beweisen lässt, folgt zwar nicht, dass er / sie / es existiert, aber auch nicht, dass er nicht existiert. Wie gesagt: aus einem Satz allein, folgt gar nichts.
Obendrein: der Begriff der Existenz wie er nach der Scholastik verstanden wurde (sehen wir mal von dem Deutschen Idealismus, Heidegger u.ä. ab) ist immer in erster Linie empirisch interpretiert worden. Worauf ich zeigen kann / was sinnlich –ggf. mit Apparatur– wahrnehmbar ist, das und nur das existiert. Alles andere ist konstruiert / imaginiert / phantasiert. In vielen Fällen stimmt es. Aber in welchen nicht?
Das entscheidende Argument für eine Existenz Gottes ist ein Argument der Kirchenväter. Aber nicht der sog. ontologische Gottesbeweis Anselms. Jenes: “ zu dem nichts Größeres gedacht werten kann“. (Wie Sie es präferieren.) Sondern der kosmologische von Tommaso d’Aquino. Denn der steht nicht im Gegensatz zum Empirismus. Aber der fußt ja auf Platon und Aristoteles— Ist das vielleicht DAS Problem des Christentums heute wie schon immer? Dass die abstrakteste (i.e. intelligenteste) Religion von allen sich nicht traut, ernst zu machen? Gott als bloß metaphysisches „principium“, als ἀρχή ernst zu nehmen?
Lieber Dirk,
danke für Ihr kritisches Feedback erst einmal. Ich sehe, ehrlich gesagt und in aller Höflichkeit, nun aber nicht, inwiefern Sie die Stimmigkeit der Aussage „Die Nicht-Existenz von X ist dann bewiesen, wenn aus der Existenz von X ein Widerspruch folgt“ untergraben haben.
Denn freilich gibt es einfache Beispiele hierfür: Ich kann Ihnen zB zu 100% versichern/beweisen/darlegen, dass ein rundes Quadrat nicht existiert. Aus dem simplen Grund, da der innere Widerspruch die Existenz dieses „Objekts“ unmöglich werden lässt.
Gleiches gilt für Gott: Wer zeigen kann, dass die Existenz Gottes nicht möglich ist, da sie zB einem logischen Widerspruch unterliegt, der hat gezeigt, dass Gott genauso wenig existieren kann wie der verheiratete Junggeselle oder unser rundes Quadrat.
Die Existenzaussagen („X“, „Gott“, „Einhorn“ existiert) unterscheiden sich fundamental von anderen Aussagen wie „ein rundes Quadrat existiert (nicht)“. (Mal abgesehen davon, dass das gar keine Aussage ist, sondern bloß eine contradictio in adjecto/ ein Oxymoron). „Gott existiert“ oder „Gott existiert nicht“ sind Existenzaussagen. Die haben aber keinen heuristischen Wert.
Um es mit Kant zu sagen: „Sein ist kein reales Prädikat“. Das Hinzufügen des „ist“ / „existiert“ bringt dem Oymeron §rundes Quadrat“ kognitiv gar nichts. Einfacher gesagt: Entweder sind Existenzaussagen tautologisch oder a priori falsch. Überprüfbar in einem empirischen Sinn sind sie nie.
Wenn diese simple logische Differenz so schwierig für christliche Theologen heutiger Provenienz nachzuvollziehen ist, wundert mich allerdings nicht mehr, dass weniger metaphysische Köpfe als ich es bin, dem Atheismus anheim fallen. Vielleicht wäre „der Sache“ / „Gott“ eher gedient, ihr christlichen Theologen wäret weniger Christen, dafür mehr Theologen.
Lieber Dirk,
danke für Ihren Beitrag. Aber damit wir uns nicht missverstehen: Der Kritikpunkt „Nicht-Existenz kann man nicht beweisen“ ist ja kein christlicher, sondern ein atheistischer. Wenn Sie diese Aussage, die manche Atheisten immer mal wieder vorbringen, letztendlich also genau so unsinnig finden wie ich, sehe ich das nur sympathisch.
Mir war durchaus klar, aus welcher ideologischen Ecke das „Argument“ kam. ABER mir ist auch klar, aus welch ideologiefreier Ecke der Gedanke ursprünglich kam. Er ist ursprünglich weder atheistisch noch „theistisch“. Sondern wertneutral: logisch-mathematisch oder philosophisch.
In diesem Sinne ist an dem Gedanken formallogisch nicht zu deuteln. In dem Diskurs Theismus – Atheismus hat er nichts verloren. Worauf ich aufmerksam machen wollte: wenn einer ein „Argument“ mobilisiert, das im Kontext de facto keines sein kann, und die Gegenseite (hier: Sie) sich auf das Argumentationsniveau herablässt, dann liegt ihr beide schief.