33. Argument: Glaube gibt Kraft und Mut, das will ich nicht bestreiten. Jeder Mensch fragt sich nach dem Sinn des Lebens und was nach dem Tod kommt- und glaubt man an gar nichts verzweifelt und verbittert man. Für mich ist es ein Dilemma. ich kann angesichts der Lage, die auf dieser Welt herrscht nicht an Gott glauben, weiß aber das ich früher oder später irgendwas brauche an dem ich mich festhalten kann- etwas was Zeitlos ist und vermeintliche Antworten auf meine Fragen gibt. Wenn es einen Gott gibt, dann ist er nichts an dem man sich festhalten kann sondern gleichgültig und kalt.
Vielen Dank für diese ehrlichen Gedanken. Sicherlich steht es außer Frage, dass der Glaube einem Menschen Kraft, Mut, Halt und Sinn gibt. Damit würde ich mich persönlich aber gar nicht zufrieden geben wollen. Denn nur, weil Glaube in dieser Form hilft, muss der zentrale Gedanke, der dahinter steckt, noch lange nicht stimmen: „Ist Gott wirklich lebendig oder nicht? Ist etwas dran an den Verheißungen des Glaubens oder nicht?“ Die Wahrheitsfrage bleibt also eine ganz wichtige Frage. Und ich bin davon überzeugt, dass Glaube sehr gute Gründe vorzuweisen hat und vor der Wahrheitsfrage und sonstigen „harten Fragen“ keine Angst zu haben braucht.
Und eine der häufigsten Fragen ist natürlich die Frage nach dem Leid. Aber hier ist zunächst zu sagen, dass wohl viel mehr Leid „menschengemacht“ ist, als man allgemein denkt. Francis Collins schreibt:
Es ist die Menschheit, nicht Gott, die Messer, Pfeile, Gewehre, Bomben und alle Art von Folterinstrumenten erfunden hat. Die Tragödie eines jungen Kindes, das von jenem betrunkenen Fahrer getötet wird, der sterbende Unschuldige auf dem Schlachtfeld, das junge Mädchen, getötet durch einen Querschläger in einem Stadtviertel, in dem Verbrechen und Gewalt an der Tagesordnung sind, kann kaum Gott angelastet werden.
Das ist übrigens nicht nur unsere Alltagserfahrung, sondern auch eine der ersten Information in der Bibel: Gott möchte eine reale Beziehung zu einem freien Gegenüber – und zu dieser Freiheit gehört logischerweise auch die Möglichkeit des Scheiterns dazu. Und Scheitern heißt in unserem Fall: Abwendung von Gott, Misstrauen gegen Gott – und damit langfristig auch Misstrauen gegeneinander, Gebrochenheit, Feindseligkeit etc.
Unsere Weltwirklichkeit ist, wie ganz richtig erkannt, voll von der Erfahrung solchen Scheiterns – aber nicht das Scheitern Gottes, sondern unserem Scheitern. Die Gründe dafür sind vielfältig. Ich denke, jedes realistische Menschenbild muss genau das einkalkulieren: Dass der Mensch in sich gebrochen, höchst unvollkommen und zu handfestem Versagen in der Lage ist. Wer das nicht einkalkuliert, läuft Gefahr, einen Teil unserer Alltagserfahrung einfach auszublenden.
Das ist ein erster Ansatz einer Antwort: Die Freiheit des Menschen schließt die Möglichkeit des Scheiterns ein. Wenn Gott diese Möglichkeit ausgeschlossen hätte, hätte er uns nicht als freie Wesen geschaffen. Dass er uns aber als freies Gegenüber geschaffen hat, ist gerade Ausdruck seiner Liebe zu uns. Das ist eine wichtige Denkhilfe. Aber das beantwortet immer noch nicht die Frage, ob man sich an diesen Gott festhalten sollte. Hier kann uns vielleicht die Grundannahme des christlichen Glaubens helfen:
Der Gott, an den Christen glauben, ist kein kalter und gleichgültiger Gott, fern und desinteressiert. Im Gegenteil. Christen glauben an einen persönlichen und liebenden Gott, der sich nichts Sehnlicheres wünscht, als mit jedem seiner Geschöpfe eine vertrauensvolle und persönliche Beziehung zu haben. Dem es ganz und gar nicht egal ist, was mit uns passiert – der sich in unsere Willensfreiheit aber auch nicht einmischt; sonst wäre es schließlich keine echte Willensfreiheit mehr. Sonst würden wir in einer Art „göttlichen Überwachungsstaat“ leben und das ist buchstäblich nicht „im Sinne des Erfinders“.
Woher wissen Christen aber, dass Gott nicht gleichgültig und kalt ist, sondern jeden Menschen über alles liebt? Die Antwort: Durch Jesus. Christen glauben, dass Gott in Jesus selbst Mensch wurde und uns so gezeigt hat, wie er ist: sein Herz, sein Wesen, sein Charakter. Und in Jesu ist keinerlei Spur von Kälte oder Gleichgültigkeit gegenüber uns Menschen zu finden. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Am besten macht man sich davon mal ein eigenes Bild und liest selbst eine der Lebensbeschreibungen Jesu. Vorzugsweise in einer modernen verständlichen Übersetzung wie der Neuen Genfer Übersetzung.
Und spätestens am Ende seiner Lektüre merkt man: Gott überblickt nicht nur das Leiden, er sieht in ihm nicht nur einen Sinn, sondern er kam auch auf diese Erde, um sich mit Leid zu identifizieren. Das ist aus meiner Sicht sogar einer der größten Pluspunkte des Christentums gegenüber anderen Weltsichten: Gott die tiefsten Tiefen des Leidens selbst erfahren – in Jesus am Kreuz. Deshalb kann uns dieser Glaube helfen, dem Leid nicht mit Verbitterung, sondern mit Hoffnung und Mut zu begegnen. Aber nicht verstanden als billige Vertröstung, sondern als begründeter Trost. Wenn uns Gott also wirklich in Jesus begegnet, dann ist er alles andere als kalt und gleichgültig. Und dann gibt es wohl auch niemanden, an dem man sich lieber festhalten würde als an diesem Jesus.
Noch keine Kommentare