28. Argument: Zwar hat uns Gott einen freien Willen gegeben, um uns bewusst für oder gegen eine Beziehung mit ihm entscheiden zu können. Ist der freie Wille jedoch nicht dadurch eingeschränkt, dass wenn wir uns gegen Gott entscheiden, schlechtes widerfährt und wenn wir uns für ihn entscheiden gutes. Ist das nicht eine Art der Erpressung: Wenn du dich gegen mich entscheidest, dann musst du dafür bezahlen und nur wenn du tust was ich dir sage verschone ich dich? Ist das nicht auch ein Art der Selbstverliebtheit bzw. Selbstbeweihräucherung Gottes?

Danke auch für diesen Frage, die ich gut nachvollziehen kann. Zunächst einmal das, was ich nicht denke. Ich denke, dass wir uns die Hölle keinesfalls vorstellen sollten, wie sie uns in mittelalterlichen Bildern präsentiert wird. Ich denke auch nicht, dass die Hölle ein Thema ist, an dem man Gefallen finden sollte. In der Art, wie wir das Thema behandeln, sollte überhaupt kein Anzeichen von Polemik oder Provokation zu finden sein. Als der Theologe Francis Schaeffer einmal um eine theologische Erklärung dieses Themas gebeten wurde, sagte er nichts, sondern blieb still und weinte. Ich sehe es sehr ähnlich: Christliche Selbstgefälligkeit ist beim Thema „Hölle“ absolut fehl am Platze. Nun zur Sache: Hölle meint im Kern die Trennung von Gott. Ein Ort, wo Gott nicht ist. Wie das konkret zu verstehen ist, da sind sich Christen nicht einig; es lässt sich aber sagen, dass die Hölle ein bewusstes und leidvolles Erleben des von Gott Zurückgewiesenseins ist. Wie sich dieses Leiden konkret ausdrückt, ist wie gesagt nicht geklärt.

Aber Leid bleibt Leid. Ist die Hölle also wirklich als eine Art „Erpressung“ zu verstehen? Ich denke, wer so fragt, missversteht den eigentlichen Beweggrund der Hölle: Existiert die Hölle, weil Gott ein Druckmittel braucht? Nein, zumindest nicht aus christlicher Sicht – denn Christen glauben: Die Hölle existiert, weil Gott existiert. Die Existenz Gottes macht die Existenz der Hölle notwendig. Warum? Weil die Hölle zeigt, dass Gott absolut gerecht ist. Wenn Fehlverhalten bei Gott ohne Konsequenzen bliebe, wäre er nicht absolut gerecht. Die Hölle ist sozusagen so etwas wie die „Manifestation“ Gottes Gerechtigkeit. Sicher, viele Menschen fragen immer: „Wie kann ein liebender Gott Menschen in die Hölle schicken?“ Aber wie sieht es eigentlich mit der Frage aus: „Wie kann ein absolut gerechter Gott Menschen in den Himmel schicken?“ Über diese Frage machen sich ja die wenigsten Gedanken (wahrscheinlich, weil sie Gott immer nur auf die Eigenschaft reduzieren, die gerade gut in die Argumentation hineinpasst.)

Wer an dieser Stelle „Gottes Dilemma“ erkennt, sieht übrigens vollkommen richtig. Seine absolute Liebe verlangt nach Versöhnung und Vergebung, nach Himmel. Seine absolute Gerechtigkeit verlangt die Bestrafung für sündiges Verhalten, nach Hölle. Christen sagen nun, dass Gott dieses Dilemma gelöst hat – in dem er selbst Mensch wurde, in Jesus. Am Kreuz treffen sich die Liebe und die Gerechtigkeit Gottes. Gerechtigkeit, weil das der Ort ist, auf den Gott die Sünden der ganzen Menschheit lenkt und Jesus die Konsequenzen trägt, die wir eigentlich zu tragen hätten. Liebe, weil in Jesus nicht irgendein Unschuldiger für die Konsequenzen unseres Fehlverhaltens stirbt, sondern Gott selbst – in Jesus.

Wir haben es – aus christlicher Sicht – also ganz und gar nicht mit einem Gott zu tun, der die Hölle einführt, weil er ein erpresserischeres Druckmittel braucht, damit Menschen zu ihm kommen. Nein, die Hölle existiert, weil Gott existiert – weil Gott absolut gerecht ist. Gut für uns aber, dass er nicht nur das ist. Im Johannes-Evangelium, Kapitel 3, Vers 16 lesen wir: „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn [Jesus] gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verlorengeht, sondern ewiges Leben hat.“ Wir haben es aus christlicher Sicht also mit einem Gott zu tun, dessen Gerechtigkeit die Existenz die Hölle zwar notwendig macht, der aber aufgrund seiner Liebe trotzdem nicht möchte, dass auch nur ein Einziger verloren geht. Und der deshalb aus Liebe zu uns Menschen selbst Mensch in Jesus geworden ist, für unsere Schuld ans Kreuz ging und seinen gerechten Zorn auf sich selbst lenkte. Ist Gott also selbstverliebt, wenn er das alles auf sich nimmt. Ich denke nein. Denn Gott sagt in Jesus „Ja“ zu uns und macht uns ein Angebot zur Versöhnung und Vergebung. Alles, was wir dabei zu tun haben, ist, ebenfalls „Ja“ zu diesem Angebot zu sagen.