Gehorsam ist keine Tugend, sondern ist die Grundvoraussetzung, ein KZ oder einen Krieg zu führen. Moral ist ohne Autonomie nicht vorstellbar. Diese wird im Christentum untergraben, in dem man für unterwürfiges Verhalten eine Belohnung aussetzt: Glaube und Du kommst ins Paradies, ewiges Leben; für Ungehorsam gibt es eine Strafe (ewige Verdammnis oder Verlust des ewigen Lebens). Unter solchen erpresserischen Umständen kann es kein ethisch verantwortliches Benehmen geben. »Gott liebt Dich, und wenn Du ihn nicht auch liebst und Dich seiner Moral unterwirfst, dann wirst Du in der Hölle brennen (oder kein ewiges Leben haben etc.)«. Das ist der Versuch, Untertanen zu erpressen. Eine Liebe ohne Freiraum, ohne Autonomie, ist keine, eher eine strukturell mafiöse Nötigung.
Danke erst einmal für diesen Beitrag. Ich glaube Ihnen sogar, dass Sie davon ausgehen, den christlichen Glauben korrekt wiedergegeben zu haben. Sie haben die christliche Botschaft aber – bei allem Respekt – noch nicht verstanden; denn was Sie hier beschreiben ist christliche Religion, nicht aber die christliche Botschaft. Ein ganz klassischer „Strohmann-Trugschluss“ also, sicherlich aber kein absichtlicher. Denn Christen glauben nicht, dass sie durch ihr moralisches Verhalten vor Gott gerecht werden. Und Christen glauben auch nicht, dass Sie sich Gottes Liebe durch gutes Tun erarbeiten oder verdienen können.
Christen sind zunächst einmal Menschen, die davon ausgehen, dass es einen Gott gibt, der u.a. vollkommen heilig und gerecht ist. Und die, wenn sie ihr Leben ehrlich reflektieren, zugeben müssen, dass sie viele Entscheidungen aus freien Stücken getroffen haben, die einem heiligen und gerechten Gott nicht gefallen können. Das können bereits „Banalitäten“ wie Lügen oder Lästern sein. Es dürfte sicherlich klar sein, dass ein heiliger und gerechter Gott selbst solche Taten natürlich nicht gutheißen und ungestraft lassen kann. Wenn Gott verurteilt, ist das also immer eine Reaktion auf das, wozu wir uns aus freien Stücken entschieden haben. Kurz: Christen sind Menschen, die festgestellt haben, dass sie vor Gott schuldig geworden sind und damit ein ewiges Leben mit Gott verspielt haben. Wie es in einem Sprichwort so schön heißt:
Die Gemeinde ist ein Krankenhaus für Sünder und nicht ein Museum für Heilige.
Christliche Religion würde nun instrumentalisierend und bevormundend daherkommen und sagen, dass die Schuld vor Gott nur so ausgeräumt werden kann, in dem man sich bemüht, ein guter Mensch zu sein, der sich durch ein moralisch ansprechendes Leben auszuzeichnen hat. Bestimmte Dinge haben also getan, bestimmte Dinge unterlassen zu werden – dann, und nur dann, wird Gott einem gnädig sein. So sagt es uns die christlich-religiöse Dogmatik. Ganz nach dem Motto:
„Du musst Dir den Himmel schon verdienen, sonst kommst Du dort nicht hin.“
Das ist aber nicht die christliche Botschaft; das ist auch nicht das, was ich als Christ glaube. Die christliche Botschaft besagt ja gerade nicht, dass der Mensch durch sein eigenes Tun bzw. sein moralisches Handeln zu Gott findet, sondern ausschließlich durch das, was Jesus am Kreuz getan hat. Christen glauben ja, dass Gott in Jesus selbst Mensch wurde und die Strafe, die wir für unsere Verfehlungen eigentlich verdient hätten, am Kreuz auf sich genommen hat. Jesus/Gott starb also stellvertretend für uns. Dazu hat ihn natürlich niemand gezwungen; er gab sein Leben freiwillig und aus Liebe zu uns hin, damit jeder, der Jesus‘ stellvertretenden Tod für sich in Anspruch nimmt, das ewige Leben hat. Das ist die christliche Botschaft.
Es geht folglich nicht um ein moralisches Verhalten, dem man sich unterwerfen muss. Christen glauben, dass der Mensch nicht durch sein moralisches Handeln zu Gott kommt. Beim christlichen Glauben geht es ja gerade nicht darum, dass wir Menschen zwanghaft zahllose Moralgebote befolgen müssen, um einer göttlichen Bestrafung zu entgehen. Stattdessen handelt der christliche Glaube von einem Gott, der uns Menschen so unendlich liebt, dass er stellvertretend für uns starb und uns so das ewige Leben schenken möchte, obwohl wir das eigentlich gar nicht verdienen. Es geht beim Christsein also nicht um die religiöse Verbrämung eines integren Lebens, sondern um eine liebevolle und vertrauensvolle Beziehung mit Gott, die auf echter Dankbarkeit beruht.
Und für eine gesunde Liebesbeziehung braucht es sicherlich die gegenseitige Aufgabe von Unabhängigkeit, gar keine Frage. Einbahnstraßen funktionieren hier nicht; beide Partner müssen sagen: „Ich gehe auf Dich ein, ich ändere mich für Dich. Ich will Dir dienen, auch wenn das für mich Opfer bedeutet.“ Wo nur der eine Partner opfert und gibt und der andere nur befiehlt und sich bedienen lässt, wird die Beziehung wirklich zur Nötigung oder Ausbeutung, da gebe ich Ihnen Recht. Vielleicht fragen Sie sich jetzt vollkommen zu Recht:
Aber das bedeutet doch, dass eine Beziehung zu Gott den Christen zum Sklaven macht. Denn hier besteht doch tatsächlich eine Einbahnstraße: Gott hat alle Macht und der Mensch muss sich ihm anpassen – und eben nicht umgekehrt.
Dies mag für Religion(en) gelten, es ist aber nicht das, was die christliche Botschaft besagt – denn hier wird gesagt: Gott hat sich uns angepasst und uns gedient – und das auf die radikalstmögliche Art und Weise: durch seine Menschwerdung und seinen stellvertretenden Tod am Kreuz. In Jesus wurde Gott ein Mensch – ein Mensch, der litt und starb. Am Kreuz nahm er unsere Situation als Sünder auf sich und starb an unserer Stelle, damit wir Vergebung bekommen können. In Christus hat Gott uns so tief, wie es nur möglich ist, gesagt:
Ich gehe auf Dich ein. Ich ändere für mich Dich. Ich will Dir dienen, auch wenn das für mich Opfer bedeutet.
Ein Freund des irischen Schriftstellers C.S. Lewis wurde einmal gefragt: „Ist es leicht, Gott zu lieben?“ Er erwiderte: „Ja, für die, die es tun.“ Das ist nicht so paradox, wie es klingt. Ein junger Mann, der sich so richtig verliebt, möchte der Geliebten in allem gefallen. Er wartet nicht darauf, bis sie ihn um etwas bittet oder ihn auffordert. Er versucht herauszufinden, womit er ihr eine Freude machen kann; Geld und Mühe spielen keine Rolle. „Dein Wunsch ist mir Befehl“ ist sein Motto – und er fühlt sich dadurch überhaupt nicht unterdrückt. Seine Freunde denken vielleicht: „Die hat ihn ja voll im Griff“, aber für ihn ist es der Himmel.
Ganz ähnlich ist es für einen Christen mit Jesus. Die Liebe Christi lässt ihm keine andere Wahl: Wenn ich verstanden habe, was Jesus für mich getan hat, wie er sich für mich geändert und hingegeben hat, erfüllt mich das mit tiefster Dankbarkeit und habe ich keine Angst mehr davor, meine Freiheit für ihn aufzugeben und in ihm die wahre Freiheit zu finden.
Noch keine Kommentare