Ich sage: 1) Wenn Gott die Welt und die Menschen erschaffen hat, aber abwarten und “schauen” muss, welche Menschen sich in seinem Sinne entwickeln, dann ist er nicht allmächtig! 2) Selbst wenn man Punkt 1 (Allmächtigkeit) unberücksichtigt läßt: Wenn man also einen nicht-allmächtigen Gott in Kauf nähme und dieser die Seelen seiner Schäfchen nach dem Exitus in „wahrhaftig Gute“ und „Nicht-Bestandene“ sortieren muss… warum sollte er es sich schwerer machen als nötig? Es dürfte also keine Bibeln, keinen Koran etc. geben. Denn diese verfälschen das natürliche Verhalten der zu testenden Seele. 3) Sollte es tatsächlich eine höhere, uns kontrollierende und beurteilende Lebensform geben: Dann sind deren Auswahlkriterien deshalb zwangsläufig nicht: “Nur wahrhaftig gute Seelen” sondern: “Nur leicht kontrollierbare und gehorsame Seelen”. Man sollte also fein überlegen, ob man nach dem Tod lieber endgültig AUS haben will oder als leicht kontrollierbarer Sklave in eine Verlängerung will…
Danke für diese Gedanken. Ich befürchte aber, dass ich hier gar nicht sonderlich viel beisteuern kann, da Sie hier nicht den Gott beschreiben, an den Christen glauben; Christen glauben z.B. nicht an einen Gott, der „abwarten und schauen muss, welche Menschen sich in seinem Sinne entwickeln“ und auch nicht an einen, der die Menschen zu Lebzeiten kontrolliert und testet und nach ihrem Tod letztendlich in „Du hast gut gelebt“ und „Du hast schlecht gelebt“ einteilt. Da befinden Sie sich auf dem Holzweg und haben das, was Christen glauben, grundlegend missverstanden. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Ich sage das wirklich mit allem nötigen Respekt und voller Ernsthaftigkeit.
Sicherlich, Christen glauben in der Tat an einen allmächtigen Gott – es wäre aber ein Fehler, wenn wir unser landläufiges Allmachtsverständnis mit dem Allmachtsverständnis der Bibel gleichsetzen. Natürlich spricht die Bibel davon, dass Gott allmächtig ist, aber sagt gleichzeitig auch, dass Gott z.B. nicht in der Lage ist zu lügen. Im biblischen Sinne ist das aber kein Widerspruch, denn wenn in der Bibel von Gottes Allmacht gesprochen wird, ist damit gemeint:
Gott ist allmächtig, weil er in seinem Handeln keinen äußeren Zwängen unterworfen ist, sondern nur sich selbst.
Wenn die Bibel also sagt, dass Gott allmächtig ist, meint sie damit, dass er keinem Diktat einer äußeren Macht untersteht – sondern nur sich selbst. Es gibt also nichts und niemandem außer ihm selbst, von dem Gott sich etwas vorschreiben lassen muss. Dass Gott z.B. nicht lügen kann, hat seine Ursache also nicht darin, dass ihm das von einer anderen Instanz auferlegt wird. Das einzige, was Gott zur Wahrheit verpflichtet, ist er selbst. Deshalb beschreibt die Bibel Gott als „allmächtig“.
Ihren zweiten Punkt verstehe ich ehrlich gesagt nicht genau, vielleicht spielen Sie dabei auf den Fakt der religiösen Pluralität an? Falls ja: Ich hatte gerade in einem der letzten Beitrag (#61) etwas dazu geschrieben. Falls nicht, melden Sie sich einfach noch einmal.
Auf jeden Fall glauben Christen wie gesagt nicht an einen Gott, der die Menschen nach ihrem Tod in „gut gelebt“ und „schlecht gelebt“ einteilt. Denn anders als oft angenommen, geht es beim christlichen Glauben ja gerade nicht darum, dass wir Menschen zwanghaft zahllose Gebote befolgen müssen, um einer göttlichen Bestrafung zu entgehen. Stattdessen handelt der christliche Glaube von einem Gott, der uns Menschen so unendlich liebt, dass er uns das ewige Leben schenken möchte, obwohl wir es nicht verdienen.
Die christliche Botschaft besagt ja, dass wir nicht durch unser Tun erlöst sind, sondern durch das, was Gott für uns in Jesus am Kreuz getan hat. Das ist einzigartig unter den weltweiten Glaubensbotschaften. Christlicher Glaube recht verstanden ist, wie Timothy Keller ganz richtig bemerkt, nicht ireligiös oder religiös, also z.B. kontrollierend, beurteilend und bevormundend. Nein, er ist grundsätzlich anders. Christen können also so rein gar nicht mit dem „religiösen Prinzip“ anfangen, was dem Mensch seitens der Religionen unter die Nase gehalten wird – wenn Leuten also gesagt wird:
Du willst doch den Himmel, das Paradies, das Nirwana – oder? Das schaffst du auch, wir werden Dir sagen, wie es geht. Folgendes musst Du einhalten, folgende Rituale musst Du befolgen, folgende Regeln vollziehen. Und wenn Du Dich anstrengst, kommst Du dorthin.
Nach diesem Leistungsprinzip funktionieren im Grunde alle Religionen. Die christlichen Botschaft fällt als einzige aus diesem kontrollierenden, beurteilenden und bevormundenen Raster heraus – hier wird nämlich gesagt:
Du musst und brauchst nichts zu tun und nichts zu leisten, um Gott zu gefallen. Du kannst Dir Gottes Anerkennung auch nicht verdienen oder erarbeiten – sie ist vielmehr ein freies Geschenk. Denn Gott wurde in Jesus selbst Mensch und hat am Kreuz alles getan, was nötig ist, um zu ihm zu kommen. Mit dem Kreuz hat Gott bereits „Ja“ zu uns gesagt, Du brauchst Gottes Angebot nur noch anzunehmen.
Das war nur einmal ein kurzer (und grober) Einblick in das, was Christen glauben. Sie haben wahrscheinlich auch gemerkt, dass unsere Vorstellungen von Gott durchaus weit voneinander entfernt liegen. In meinen Antworten zu den Fragen #7 und #29 finden Sie übrigens noch weitere Gedanken meinerseits, die zu Ihren Einwänden passen könnten.
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