Warum muss man sich gerade auf der Erde für Gott entscheiden? Warum geht das nicht auch im Jenseits? Man sollte sich meiner Meinung zu jeder Zeit für oder gegen Gott entscheiden können. Das wäre fair. Oder gilt der freie Wille, wenn es denn wirklich einen gibt, nur auf der Erde?
Danke für diese Frage, für die ich zunächst etwas ausholen muss: Christen glauben, dass sich Gott nichts Sehnlicheres wünscht als eine reale Beziehung zu einem freien Gegenüber – zu einem Menschen also, der absolute Entscheidungs- und Willensfreiheit hat. Der sich für oder gegen Dinge entscheiden kann, selbst für oder gegen Gott. (Eine Entscheidung ist schließlich nur dann wirklich frei, wenn ich mich dafür, aber auch dagegen entscheiden kann.) Christsein meint also nichts anderes als eine persönliche Beziehung mit Gott zu haben. Christsein ist in erster Linie folglich kein Verhalten und auch nicht primär die Zugehörigkeit zu einer bestimmten christlichen Gruppierung.
Nein, Christsein heißt in erster Linie, eine vertrauensvolle Beziehung mit Gott zu haben. Solch eine Beziehung kann aber nur dann echt sein, wenn sie aus absolut freien Stücken eingegangen wird. Alles andere wäre eine Art „Zwangsgemeinschaft“ und die ist ganz und gar nicht „im Sinne des Erfinders“. Wir alle wissen: Echtes Vertrauen kann niemals durch Zwang oder Druck entstehen.
Das Problem des Gedankens, warum man sich nicht erst im Jenseits, sondern hier auf Erden entweder für (oder gegen) Gott entscheiden muss, liegt damit auf der Hand: Weil die große Autorität und Macht Gottes im Jenseits für jeden Menschen unübersehbar ist, würde dadurch der Mensch in seiner freien Entscheidung massivst eingeschränkt. Wir kennen das: Auch hier auf der Erde fühlen sich Menschen weniger frei, wenn sie einer akzeptierten Autorität gegenüberstehen (Polizist, Professor, Eltern etc.).
Würde z.B. sich jemand für einen Banküberfall entscheiden und das auch äußern, wenn er mehreren Polizisten gegenübersteht? Nein, in der Gegenwart einer starken Autorität fühlen sich die meisten Menschen meinungsmäßig eher eingeschränkt oder gedrängt. Wer würde also schon im Jenseits seine Entscheidung gegen Gott treffen, wenn er Gottes Gegenwart unübersehbar vor sich hat? Niemand. Das wäre dann aber keine freie Entscheidung mehr für Gott.
Das ist übrigens der gleiche Grund, warum es auf Erden niemals einen funktionierenden Gottesbeweis geben kann: Denn jeder Beweis dieser Art käme einem Zwang gleich, sich in eine vertrauensvolle Beziehung mit Gott zu begeben. (Aber das wäre ja auch schon wieder ein Widerspruch in sich.) Natürlich könnte man die immer noch ausschlagen, aber wer geht schon freiwillig in die Hölle, wenn er weiß, dass sie wirklich Realität ist?
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