Auch ich bin mit Lastern voll, obwohl ich immer gedacht habe, ich sei ein guter Mensch. Lebe gewaltfrei und einigermaßen gerecht. Von Lästerei, Lügen und Rauchen kann ich mich aber auch nicht freisprechen. Wenn ich aber jetzt Jesus annehme und an ihn glaube, komme ich wohl von meinen kleinen Lastern nicht los. Das finde ich aber zu einfach: Ich lebe weiter mein lasterhaftes Leben, glaube an Jesus Christus, bete immer um Vergebung und komme dann in den Himmel? Und ein Mensch, der weniger Sünden auf sich genommen hat, aber nicht an Jesus glaubt, kommt in die Hölle? Ist Jesus dann so eine Art Freibrief?
Danke erst einmal für die ehrlichen Worte. Ich kenne Ihre Frage aus eigener früherer Erfahrung sogar recht gut: „Wenn ich an Jesus glaube und damit für gerettet bin, ist das nicht ein Freibrief, die Sau rauszulassen?“ Bevor ich darauf eingehe, möchte ich zuvor aber noch einen kurzen, trotzdem wichtigen Schlenker machen:
Christen glauben, dass die Rettung nur allein aus Gnade geschieht. Eine Person wird durch den Glauben errettet – alleine durch den Glauben. Wir können und müssen uns unsere eigene Rettung also nicht erarbeiten oder verdienen. Von dem Moment an, indem ein Mensch ehrlich an Christus glaubt und ihm sein Leben anvertraut, ist er errettet und sicher in dieser Rettung. Wer das verneint, sagt im Grunde, dass wir unsere eigene Rettung doch durch unser eigenes gutes Tun erreichen müssen. Das ist keineswegs „bibel-kompatibel“ und steht völlig konträr zur Errettung durch Gnade.
Wie gesagt: Wir sind durch Jesus Verdienste und nicht unsere eigenen errettet. Zu behaupten, wir müssen Gottes Wort befolgen oder ein göttliches Leben führen, um die Errettung zu behalten, ist gleichbedeutend mit der Aussage, dass Jesu Tod nicht ausreichend wäre, um die Strafe für unsere Sünden zu bezahlen. Aber dem ist nicht so – Gott sei Dank. Jesus Tod war völlig ausreichend, um für all unsere Sünden zu bezahlen.
Vor diesem Hintergrund findet auch Ihre Frage, wie es denn mit denen aussieht, die zwar weniger Sünden auf sich genommen haben, aber nicht an Jesus glauben, eine Antwort: Aus christlicher Sicht ist der Himmel kein Ort der Belohnung, wo die sind, die wenig bis gar keine Fehler im Leben gemacht haben. Wie wollte man das auch beurteilen? Und woran will man es überhaupt festmachen, dass jemand weniger gesündigt hat als man selbst? Selbst eine 24-Stunden-Observation würde nicht herausfinden, ob jemand unzüchtige Gedanken hat, in Gedanken seine Ehe bricht, innerlich neidisch auf eine andere Person ist etc. Sünde beginnt logischerweise im Kopf.
Von daher kann man schlecht schlagen, dass der stets freundliche Nachbar im Grunde weniger fehlerhaft ist als man selbst. Das ist er nämlich nicht, jeder Mensch tut Dinge, die Gott nicht gefallen. Deshalb ist ja jeder Mensch in Gottes Augen ein Sünder. Der Himmel ist also kein Versammlungsort für „weitgehend Heilige“, sondern der Ort, wo die Menschen zu finden sind, die eingesehen haben, dass sie in Gottes Augen Sünder sind und Vergebung für ihre Schuld brauchen. Und Gott bietet diese Vergebung jedem von uns – in Jesus am Kreuz. Und wie gesagt: Vergebung ist nur so möglich, wir können sie uns nicht erarbeiten. Genau deshalb Jesus sagt ja:
Ich bin der Weg, ich bin die Wahrheit, und ich bin das Leben. Zum Gott, dem Vater kommt man nur durch mich.
Kommen wir zum eigentlichen Thema: Ist die Errettung durch Jesus eine Art „Lizenz zum Sündigen“? Das ist eine rein hypothetische Frage, da die Bibel klar stellt, dass jemand, der Jesus wirklich in sein Leben gelassen hat, nicht mehr so lebt, wie er zuvor gelebt hat. Die Bibel nennt das „Wiedergeburt“. Es ist aber vollkommen in Ordnung, wenn Ihnen diese Begrifflichkeit etwas seltsam vorkommt; im Grunde meint es das, was in Galater 2,20 so treffend ausgedrückt wird:
Nicht mehr ich bin es, der lebt, nein, Christus lebt in mir.
Oder wir lesen in Johannes 15,5:
Ich bin der Weinstock, und ihr seid die Reben. Wenn jemand in mir bleibt und ich in ihm bleibe, trägt er reiche Frucht.
Christen glauben also: Wenn ein Mensch Jesus in sein Leben einlädt, ist er fortan eine neue Schöpfung. Das Alte ist vergangen, etwas ganz Neues hat begonnen. Warum? Weil Jesus – und damit niemand Geringeres als Gott selbst – in ihm lebt. Und wer sich von Gott verändern lässt, wird das merken: in seinem Herzen, seiner Einstellung, seinem Wesen etc. Im Mittelpunkt des christlichen Glaubens geht es schließlich um Veränderung. Die Bibel nennt das „Heiligung“. Die kommt natürlich nicht von jetzt auf gleich. Veränderung ist immer ein Prozess, der auch mal dauern kann. Je mehr Raum ich Gott in meinem Leben gebe, desto spürbarer wird er in mir.
Das Ganze ist natürlich nicht als „innere Vergewaltigung“ oder dergleichen zu verstehen: Da passiert in mir etwas, was ich eigentlich gar nicht will. Nein, Gott verändert, wenn wir ihm den Raum dazu geben. Das geschieht auf unterschiedliche Weise. An erster Stelle steht sicherlich die Bibel. Ich muss mir Zeit für Gottes Wort nehmen. Natürlich kann ich von Gott nicht erwarten, dass er mein Leben durch drei Verse pro Tag stets verändert. Wichtiger ist es, das Gelesene im Alltag auf mich wirken zu lassen und umzusetzen.
Aus 1. Johannes 3,6-9 geht zudem hervor, dass jemand, der sich von Gott verändern lässt, auch nicht mehr bewusst in kontinuierlicher Sünde leben wird. Schließlich möchte Gott uns ja verändern. Auf die Anklage, dass Gottes Gnade sündhaftes Verhalten ja eigentlich sogar fördert, hat schon der Apostel Paulus gesagt:
„Sollen wir weiterhin sündigen, damit sich die Gnade in vollem Maß auswirkt? Niemals! Wir sind doch, was die Sünde betrifft, gestorben. Wie können wir da noch länger mit der Sünde leben? (Römer 6,1-2).
Nein, die Errettung durch Jesus ist keine „Lizenz“ zum Sündigen. Sie ist vielmehr die Gewissheit, dass Gottes Liebe denen, die Christus vertrauen, garantiert ist. Gottes enormes Geschenk der Rettung zu kennen und zu verstehen, erreicht also genau das Gegenteil als eine “Lizenz” zum Sündigen zu erteilen:
Wie könnte jemand, der angefangen hat, den Preis zu verstehen, den Jesus für uns am Kreuz bezahlt hat, bewusst ein Leben in Sünde absichtlich weiterführen (vgl. dazu auch Römer 6,15-23)? Wie könnte jemand, der Gottes bedingungslose Liebe für die Gläubigen versteht, diese Liebe nehmen und sie in sein Gesicht zurückwerfen? Wer das tut, demonstriert ja gerade nicht, dass die „ewige Sicherheit“ ihm die Lizenz zum Sündigen gegeben hat, sondern dass er nicht wirklich die Rettung durch Jesus erlebt hat. Dass er vielleicht auch versucht hat, sich selbst zu ändern, anstatt Gott sich verändern zu lassen.
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