In Ihrem Buch sprechen Sie davon, dass der christliche Glaube im Vergleich zu anderen Glaubensrichtungen durchaus „Recht haben könnte“, sprich sich besser „begründen“ und „beweisen“ lässt. Ich stimme Ihnen zu, dass der christliche Glaube meiner Lebenswirklichkeit sehr nahe kommt, zumindest zeitweise.
Nehmen wir mal an, dass der christliche Glaube der Wahrheit entspricht. Dann wären andere Glaubensrichtungen „umständlich“, ja sogar falsch. Für mich drängen sich an dieser Stelle immer zwei bohrende und schmerzliche Fragen auf: Hat Gott eine „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ geschaffen, indem er sich dem einen Teil der Menschheit durch Jesus zeigt und dem anderen Teil nicht einmal die Chance einräumt, ihn durch Jesus kennenzulernen. Entsteht hier, Ihrer Meinung nach, wie in der Bibel geschrieben, der Auftrag Gottes zur „Missionierung“. Natürlich meine ich nicht eine Missionierung im negativen Sinne, wie über Jahrhunderte betrieben. Sollte man vielmehr seinen christlichen Glauben in der Begegnung mit „Andersgläubigen“ konsequenter begründen bzw. „verteidigen“? Würden Sie u.U. soweit gehen ihrem Gegenüber zu sagen, dass dessen Glaube falsch bzw. schlecht begründbar oder fern jeglicher Lebenswirklichkeit ist?
Danke natürlich erst einmal für das Lesen des Buches. Und danke für auch die gute Frage, die viel Einfühlungsvermögen für das Gegenüber spüren lässt. Ja, hat Gott möglicherweise eine „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ entworfen? Ich denke nicht, denn das würde nicht seinem Wesen entsprechen. Es gibt interessanterweise ja wirklich Dinge, die selbst (oder gerade) Gott nicht möglich sind: Gott kann z.B. nicht unliebend sein. Er kann nicht unheilig handeln. Und er kann – für uns nun spannend – auch nicht ungerecht sein.
Da jeden Menschen gleich viel liebt und maximal gerecht ist, kann es gar nicht so sein, dass er manche Menschen mehr Chancen gibt, ihn kennenzulernen und manchen weniger. Wenn wir schon davon ausgehen, dass Gott so etwas wie das Universum erschaffen, warum sollte seine Möglichkeiten dann begrenzt sich, sich (mehrmals) einem Menschen zu zeigen, der z.B. in einem tief muslimisch oder buddhistisch geprägten Land wohnt? Wie auch immer das konkret aussehen mag. Ich denke, wir dürfen uns sogar so weit aus dem Fenster lehnen zu sagen: Menschen, die keine gerechte und faire Chance hatten, Jesus kennenzulernen, die kann es nicht geben – weil Gott maximal gerecht ist und will, dass alle Menschen errettet werden.
Zur zweiten Frage: Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass Toleranz ein kostbares Gut ist. Deshalb denke ich, dass ich meinem Gegenüber, der sich nicht als Christ versteht, auch offen wie ehrlich sagen darf: „Als Christ habe ich eine Weltsicht, die ich für überzeugend halte; aber ich kann es problemlos aushalten, wenn andere Leute sagen, dass z.B. der Islam die richtige Sichtweise ist. Ich teile diese Ansicht zwar nicht und denke sogar, dass der andere hier nicht richtig liegt. Trotzdem werde ich jeder Person stets mit vollem Respekt, Freundlichkeit und Wertschätzung begegnen. Nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis!“
Wenn ich in diesem Rahmen mit „Andersgläubigen“ diskutiere, sehe ich kein Problem darin. Solange alles friedlich und mit den Mitteln des Wortes geschieht. Und es ist meiner Erfahrung problemlos möglich, Vertretern anderer Religionen in aller Höflichkeit in mit allen Respekt zu sagen, dass ich ihre Weltsicht für falsch bzw. schlecht begründbar halte. Mit so einer respektvolle Ehrlichkeit erreicht ein Gespräch meiner Ansicht nach auch schnell eine ganz andere Tiefe. Von daher: Nur Mut!
„Wenn wir schon davon ausgehen, dass Gott so etwas wie das Universum erschaffen, warum sollte seine Möglichkeiten dann begrenzt sich, sich (mehrmals) einem Menschen zu zeigen, der z.B. in einem tief muslimisch oder buddhistisch geprägten Land wohnt? Wie auch immer das konkret aussehen mag.“
Und die haben sich dann trotz dieser hypothetischen Begegnung und damit verbundenen „fairen Chance“ Ihrer Meinung nach ganz konkret gegen Gott entschieden, wenn Sie nicht Ihre Auffassung des christlichen Glaubens teilen?