Ob Atheist, ob Glaubender das spielt keine Rolle. Das Bild, das der Mensch von Gott hat, das hat sich der Mensch gemacht. Der Mensch ist oft charakterschwach also schafft er sich einen charakterschwachen Gott, der eifersüchtig und schnell eingeschnappt ist. Der Mensch ist begrenzt und so glaubt er an einen begrenzten Gott, dem ein bestimmter Wochentag gehört, der in bestimmten Gebäuden wohnt. Die heute vorherrschenden Religionen wurden von Männern begründet und so kommt es, dass Gott männlich gemacht wurde. Die Religionen wurden vom Menschen geschaffen und so kommt es, dass Gott menschliche Gestalt haben soll und die Tiere meist keinen Platz in seinem Himmelreich haben sollen. Wenn ein Mensch an Gott glaubt, so macht ihn zu keinem besseren Menschen. Und ich sehe es auch so: wer Gutes tut, um in den Himmel zu kommen, der ist ein Egoist.
Danke für diesen nachvollziehbaren Einwand. Ich gebe Ihnen zunächst einmal Recht: Natürlich ist jemand, der an Gott glaubt, kein besserer Mensch. Wer anderes behauptet, spricht gegen die alltägliche Erfahrung.
Bei näherer Betrachtung ist Ihr „Projektions-Einwand“ aber eigentlich ein recht gewichtiges Argument für den christlichen Glauben. Warum? Nun, weil man sich den Gott, an den Christen glauben, nicht wünscht: Jesus – der von sich behauptet hat, er sei der „heruntergekommene“ Gott – wird zum Ende seines Lebens erniedrigt, erleidet grausame Qualen und Schmerzen, wird gefoltert, ist sterblich, sterbend und schließlich sogar tot, genauso sterblich und schließlich tot wie Sie und ich auch.
So plausibel Ihre Kritik auch ist, genauso plausibel ist es, dass der gekreuzigte Gott, der im Zentrum des christlichen Glaubens steht, kein Produkt religiöser Einbildungskraft ist. Wie sehr er quer liegt zu dem, was wir Menschen uns als Gott wünschen, zeigt sich ja an religiöser Polemik aller möglichen Herkunft gegen das Wort vom Kreuz, angefangen bei der muslimischen Bestreitung des Kreuzestodes Jesu. Der – gekreuzigte – Gott ist nicht als Einbildung zu erklären.
Denke ich Ihre Kritik am christlichen Glauben also einmal durch, weiter und zu Ende, kann das sogar zu einem starken Argument für die Existenz Gottes führen: So einen Gott bildet man sich nicht ein, wenn man sich einen einbilden will. Von einem solchem Gott redet man nur, weil man auf ihn getroffen ist.
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