Aus welchem Grund betet man für die Verstorbenen, wenn sie durch Jesu Tod ohnehin gerettet wurden und von Gott geliebt werden? Wie kann ich mir ein Wiedersehen im Himmel vorstellen, wirklich als leibliche Wesen. Jesus sagt doch, er sei ein Gott der Lebenden. Hat er denn auch Macht in der Hölle? Danke für Ihre unermüdliche Mühe.
Danke für Ihre gute Frage. Zunächst einmal sollten wir beim Thema „Totengebet“ festhalten, dass es sich hierbei um keine christliche „Tradition“ handelt, sondern um eine rein katholische. Kein (frei-)evangelischer Pastor würde seine Gemeinde dazu motivieren, zu den Verstorbenen zu beten. Schlichtweg aus dem Grund, da es nicht in den handelsüblichen Bibel steht.
Im Gegenteil, wir lesen in 5, Mose, 10ff. sogar:
Es soll niemand unter dir gefunden werden, der seinen Sohn oder seine Tochter durchs Feuer gehen läßt, oder einer, der Wahrsagerei betreibt oder Zeichendeuterei oder ein Beschwörer oder ein Zauberer, oder einer, der Geister bannt, oder ein Geisterbefrager, oder ein Hellseher oder jemand, der sich an die Toten wendet. Denn wer so etwas tut, ist dem Herrn ein Greuel, und um solcher Greuel willen vertreibt der Herr, dein Gott, sie vor dir aus ihrem Besitz.
Gebete für die Verstorbene waren folglich ersten Christen nicht nur fremd, sondern auch von Gott selbst untersagt. Wie und warum bürgerte sich diese Tradition dann über trotzdem ein – zumindest auf Seiten der katholischen Kirche?
Im Jahr 593 n. Chr. wurde von Papst Gregor dem Großen die so genannte „Seelenmesse“ eingeführt, durch die das Leiden der Seelen im Fegfeuer durch das erneute Opfer Jesu in der Kirche angeblich erleichtert werden konnte. Die katholische Kirche begründete diese Tradition mit zwei Versen aus dem apokryphen Makkabäerbuch, das von (frei-)evangelischen Christen aber aus guten Gründen kritisch gesehen wird.
Im Übrigen würde ich Ihnen nicht vollends zustimmen, wenn Sie fragen: Warum betet man für die Verstorbenen, wenn sie durch Jesu Tod doch ohnehin gerettet sind und von Gott geliebt werden? Es stimmt natürlich: Gott liebt jeden Menschen, ausnahms- und bedingungslos. Das heißt aber nicht, dass jeder Verstorbene durch Jesu Tod auch automatisch gerettet ist. Im Römerbrief schreibt Paulus etwa:
Wenn du also mit deinem Mund bekennst, dass Jesus der Herr ist, und mit deinem Herzen glaubst, dass Gott ihn von den Toten auferweckt hat, dann wirst du gerettet werden.
„Moment“, denken Sie nun vielleicht. „Wie kann das sein? Gott liebt doch jeden Menschen und will doch, dass jeder gerettet wird?“ Falls Sie diese Frage haben, ist sie nur berechtigt. Die darf man haben. Aber gerade weil Gott jeden Menschen liebt, achtet und respektiert er unsere Entscheidungen – insbesondere die, ob wir in einer vertrauensvollen und persönlichen Beziehung zu ihm sein möchten oder nicht. Jesus sagte selbst:
Wer sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich vor meinem Vater im Himmel bekennen. Wer mich aber vor den Menschen verleugnet, den werde auch ich vor meinem Vater im Himmel verleugnen. (Matt.10, 32f.)
Um aber zu Ihrer Frage zurück zu kommen: Das alles heißt natürlich nicht, dass die Hinterbliebenden die Macht hätten, einen Verstorbenen in den Himmel zu beten. Nein, dies ist eine Entscheidung, die jeder von uns zu seinen Erdlebzeiten treffen muss: „Will ich ohne Gott leben oder mit?“ C.S. Lewis schreibe deshalb vollkommen richtig:
Am Ende werden nur zwei Gruppen von Menschen vor Gott stehen – jene, die zu Gott sagen: »Dein Wille geschehe«, und jene, zu denen Gott sagt: »Dein Wille geschehe«. Alle, die in der Hölle sind, haben sie sich erwählt.
Hinsichtlich Ihrer zweiten Frage würde ich Sie gerne auf meine Antwort auf Frage #103 verweisen, wo ich mich bereits über den Himmel geäußert habe. Wenn Sie nach dem Lesen immer noch Fragen haben (was sehr gut sein kann), zögern Sie bitte nicht zu fragen.
Zu Ihrer letzten Frage: Hat Jesus auch Macht in der Hölle? Das ist nun per Definition ein Problem, da die Hölle ein Ort wo ist, wo Jesus (=Gott) nicht ist. Im Gegensatz ist der Himmel ein Ort, wo Gott gegenwärtig ist. Aber vielleicht habe ich Ihre Frage auch nicht richtig verstanden? Dann fragen Sie gerne erneut nach.
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