Wenn Jesus zu Gott betet, führt er dann Selbstgespräche?

Danke für diese ausgezeichnete Frage, die ich gut verstehen kann. Sie gehört auch sicherlich mit den zu schwersten Fragen, die man an den christlichen Glauben richten kann – gerade weil hier ein alles andere als leichtes Thema angesprochen wird: das der Dreieinigkeit, sprich das Verhältnis zwischen Gott-Vater, Gott-Sohn und Gott-Heiliger Geist.

Christen sagen ja, dass sie nicht an drei Götter und auch an nicht an einen Gott bestehend aus einer Person glauben– sondern: Christen sagen, dass sie an einen Gott glauben, der sich in den drei genannten Personen offenbart. Das meint natürlich nicht, dass man sich Gott wie eine Art Kuchen vorzustellen soll, der in drei Teile aufgeteilt ist.

Ich versuche das mal exkursartig an einem Bild aufzuzeigen (und wie jedes Bild wird auch dieses seine Grenzen haben): Sie kennen sicherlich Kerbereos, den Höllenhund aus der griechischen Mythologie, der den Eingang zum Hades bewacht. Kerbereos war ein dreiköpfiger Hund, was also für uns hier gerade ganz interessant ist. Als solches Wesen hatte Kerbereos drei Personen mit eigenem Verstand und Geist in sich vereint; nichtsdestotrotz stellt Kerbereos einen einzigen Hund dar.

Das könnte vielleicht eine gute Analogie für drei Personen in einem Wesen sein. Das ist natürlich nur ein Bild, das wie gesagt begrenzt ist, im Kern aber recht gut das ausdrückt, wie Christen die Dreinigkeit verstehen: Gott-Vater, Gott-Sohn und Gott-Heiliger Geist – aus diesen drei besteht Gott. Spricht nun also der Gott-Sohn (Jesus) mit dem Gott-Vater, spricht hier eine Person mit der anderen.

Hilreich ist an dieser Stelle übrigens auch ein Hinweis im Brief an die Philliper, wenn Paulus dort schreibt:

Er [Gott, der Sohn], der Gott, dem Vater, in allem gleich war und auf einer Stufe mit ihm stand, nutzte seine Macht nicht zu seinem eigenen Vorteil aus. Im Gegenteil: Er verzichtete auf alle seine Vorrechte und stellte sich auf dieselbe Stufe wie ein Diener. (Phil, 2,6.)

Jesus und Gott, der Vater, wären also in allem gleich – einzig und allein der freiwillige Verzicht Jesu auf seine Vorrechte ließen einen Unterschied zwischen den beiden entstehen. So weiß der Sohn z.B. auch nicht, wann der letzte Tag sei, „nur der Vater weiß das“, antwortete Jesus einst auf diese Frage.

Christen glauben übrigens auch nicht, dass Gott erst im Neuen Testament plötzlich dreieinig wurde, sondern dass er das seit Ewigkeit her bereits ist. Es ist wörtlich zu verstehen, wenn es in 1. Joh 5 heißt: „Gott ist Liebe“ – und Liebe braucht eben ein Gegenüber, das geliebt werden kann. Gott ist in sich liebevolle Beziehung – vom Vater zum Sohn zum Geist und zurück. Der gedankliche Fehler tritt an der Stelle auf, an der wir denken: Nur Gott, der Vater, sei Gott.

Ich kann mir nun gut denken, dass aus dieser Erklärung weitere Folgefragen entstanden sind. Falls dem so ist, zögern Sie bitte nicht, weiter kritisch nachzubohren.