102. Ist der christliche Gott eigentlich der gleiche wie der aus dem Koran?
Danke für diese kurze, aber sehr gute Frage. Wenn wir den Gott der Bibel mit dem des Korans vergleichen, fällt zunächst auf, dass der Koran keinen allliebenden Gott kennt. Gott, wie er im Koran beschrieben wird, liebt nicht jeden Menschen, sondern nur die, die auch ihn lieben. Sicherlich, Gott wird im Koran als liebend und gnädig beschrieben, keine Frage. Er ist aber ausschließlich denen wohlgesonnen, die auch ihm wohlgesonnen sind.
Diese Beschreibung von Gott steht aber im Widerspruch zu der Beschreibung Gottes in der Bibel, in der er als jemand beschrieben wird, der alle Menschen liebt, Gläubige wie Nicht-Gläubige. Sicherlich, Gott findet vieles nicht toll, was wir tun, trotzdem liebt er jeden von uns. Anders ausgedrückt: Er hasst zwar die Sünde, liebt den Sünder aber über alles. Der Gott, wie er in der Bibel beschrieben wird, ist folglich in der Tat „allliebend“, nicht aber der, von dem uns der Koran erzählt. Hier muss sich die Liebe Gottes erst verdient werden.
Muslime glauben, dass wenn der Mensch einen Schritt auf Gott zu macht, dieser auch auf ihn zukommt. Muslime sagen also, dass der Mensch die Initiative ergreifen muss: zuerst geht der Mensch einen Schritt auf Gott zu, erst dann geht er einen Schritt auf den Menschen zu. Das steht aber im genauen Gegensatz zu dem, was Christen glauben bzw. wie Gott in der Bibel beschrieben wird. Hier lesen wir, dass obwohl wir Sünder sind, obwohl wir nicht-gläubig sind und obwohl wir Gott ablehnen, er uns liebt und sich nichts Sehnlicheres wünscht als mit jedem seiner Geschöpfe in einer liebevollen und vertrauensvollen Beziehung zu sein. Der Gott, an den Christen glauben, liebt uns Menschen so sehr, dass er in Jesus selbst in unsere Welt kam und letztlich am Kreuz frewillig die Strafe für unsere Schuld auf sich nimmt, damit nicht wir die Konsequenzen tragen müssen, sondern Gott selbst. Das würde ein engagierter Moslem niemals über Gott sagen.
Darüber hinaus berichten uns Koran und Bibel Unterschiedliches, was Gottes Gerechtigkeit anbelangt. Im Koran wird Gott als ein gerechter Richter beschrieben, der aber natürlich auch gnädig sein kann. Dagegen ist ja erstmal nichts einzuwenden. Wenn der muslimische Gott bzw. Richter aber gnädig ist, hört er genau in diesem Augenblick auf, gerecht zu sein. Denn wenn Gott, wie er im Koran beschrieben wird, nun aber z.B. Mördern oder Vergewaltigern vergibt, hat niemand mehr die Konsequenzen für diese Taten zu Tragen. Das ist sicherlich gnädig, nicht aber gerecht. Der Gott im Koran ist also nicht nur nicht alliebend, sondern auch nicht vollkommen gerecht.
Und genau hier finden wir die Antwort auf die Frage, die nicht wenige heutzutage haben – nämlich: „Warum musste Jesus für unsere Sünden sterben? Hätte Gott nicht auch einfach so vergeben können?“ Und die Antwort lautet: Nein, Gott kann als ein vollkommen heiliger und vollkommen gerechter Gott Schuld nicht einfach so vergeben. Vollkommene Gerechtigkeit liegt nur dann vor, wenn die Konsequenzen, die eine Fehlverfehlung nach sich zieht, auch zum Tragen kommen. Absolute Gerechtigkeit ist aber nicht gegeben, wenn die Konsequenzen, die eine Fehlverfehlung nach sich zieht, nicht zum Tragen kommen.
Gottes absolute Liebe verlangt nach Versöhnung und Vergebung. Seine absolute Gerechtigkeit verlangt die Bestrafung für sündiges Verhalten. Während Gott im Koran nun entweder seine Liebe ablegt, wenn Gerechtigkeit übt oder seine Gerechtigkeit ablegt, wenn er liebende Gnade walten lässt, sagt die Bibel, dass Gott sich nicht selbst verleugnen kann. Er kann nicht ein Wesensmerkmal zugunsten eines anderen „deaktivieren“. Das bringt den Gott der Bibel natürlich in ein Dilemma; Christen sagen aber, dass Gott dieses Dilemma gelöst hat – in dem er selbst Mensch wurde, in Jesus. Am Kreuz treffen sich die Liebe und die Gerechtigkeit Gottes. Gerechtigkeit, weil das der Ort ist, auf den Gott die Sünden der ganzen Menschheit lenkt und Jesus die Konsequenzen trägt, die wir eigentlich zu tragen hätten. Liebe, weil in Jesus nicht irgendein Unschuldiger für die Konsequenzen unseres Fehlverhaltens stirbt, sondern Gott selbst – in Jesus.
Das sind meiner Ansicht nach alles gute Gründe dafür, dass der Koran und die Bibel nicht den gleichen Gott beschreiben.
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