100. Um beweisen zu können, dass es etwas gibt oder nicht gibt, braucht man eine angemessen scharfe Definition von dem, was man sucht. Die meisten Gläubigen glauben, dass sie eine solche Vorstellung besitzen. Sie werfen dann dem Atheisten vor, dass er nicht genau dieselbe Idee habe und daher nicht weiß, was er ablehnt. Mag sein, aber es wäre dann Aufgabe des Glaubenden, zu sagen, was es ist, woran er glaubt. Es ist nicht die Verpflichtung des Atheisten, zu beweisen, dass nicht existiert, was undefiniert bleibt. Wenn der Gläubige, wie die meisten, nicht verständlich machen kann, woran er glaubt, dann sollte er sich auch nicht wundern, wieso der Atheist nicht an dasselbe glaubt.
Danke für diesen Beitrag. In Anlehnung an Swinburne, ein prominenter christlicher Philosoph, bezieht sich „Gott“ als Eigenname biblisch gesehen auf ein Wesen, auf das die folgende Beschreibung zutrifft: Es ist immateriell, zeitlos bzw. ewig, allmächtig, allwissend, vollkommen gut, heilig und gerecht und Schöpfer über aller Dinge. (Eigentlich keine große Überraschung, oder?)
Die meiner Ansicht aber beste Definition Gottes schlägt Anselm v. Canterbury vor, wenn er sagt, dass Gott das in jeder Hinsicht größte vorstellbare Wesen ist. Wenn man von etwas noch größer als von Gott denken könnte, dann wäre das Gott. Das mag manchen aber vielleicht zu unkonkret sein, in diesem Fall würde ich wie gesagt auf obige Definition verweisen.
Nichtsdestrotz lässt diese aber auch diese noch Raum für Interpretationen und Missverständnisse; denn was meint die Bibel z.B. damit, wenn Sie sagt: „Gott ist allmächtig“ oder „Gott ist allwissend“. Die Erfahrung zeigt, dass Glaubensskeptiker ihren kritischen Ausführungen zumeist Ihre eigene Interpretation dieser Begriffe zugrunde legen. Ich finde das auch absolut nachvollziehbar, schließlich ist es die Aufgabe des Christen zu sagen, was er bzw. die Bibel mit einem bestimmten Begriff meint.
Es sei allerdings bereits vorab gesagt: Jeder von uns – inklusive mir – sollte so ehrlich zu sich selbst sein und sich eingestehen, dass wir uns zwar sicherlich gute und tiefgründige Vorstellungen über Gott machen können; aber gerade vor dem Hintergrund, dass jeder von uns gewissen Beschränkungen unterworfen und Gott jemand ist, der u.a. ewig und zeitlos ist und somit eine Existenz führt, die wir, die an Raum und Zeit gebunden sind, nicht so leicht nachvollziehen kann, sollten wir niemals davon ausgehen, dass unsere Vorstellung von Gott auf jeden Fall fehlerfrei sein wird.
Ich weiß natürlich nicht, wie Sie sich selbst einschätzen, ich muss mir aber – so ungern ich das auch tue – immer wieder meine Eingeschränktheit in vielerlei Hinsicht eingestehen. Man möge es mir daher nachsehen, dass auch zwar um eine „angemessen scharfe“ Definition Gottes bemüht bin, sicherlich aber keine „passgenaue“ abliefern kann. Deswegen sind die Antwortvorschläge, die ich zu Gottes Wesensmerkmalen aufführen, auch genau das: Vorschläge. Ich möchte das einmal für die Eigenschaften, bei denen es meiner Erfahrung am meisten zu Missverständnissen kommt:
Gott ist allmächtig
Wenn die Bibel sagt, dass Gott allmächtig ist, meint sie damit, dass er keinem Diktat einer äußeren Macht untersteht – sondern nur sich selbst. Es gibt also nichts und niemandem außer ihm selbst, von dem Gott sich etwas vorschreiben lassen muss. Das nennt die Bibel (vollkommen zu Recht) „allmächtig“. Dass Gott z.B. nicht lügen kann, hat seine Ursache also nicht darin, dass ihm das von einer anderen Instanz auferlegt wird. Das einzige, was Gott zur Wahrheit verpflichtet, ist er selbst. Das entspricht vielleicht nicht dem, was wir spontan unter „allmächtig“ verstehen, aber das tut ja auch ehrlich gesagt wenig zur Sache. Schließlich geht es ja nicht um unser, sondern um das biblischen Allmachtsverständnis.
Vor diesem Hintergrund erübrigt sich auch solch eine Frage wie „Kann Gott einen Stein schaffen, den er selbst nicht heben kann?“ Alleine schon deshalb, da es sich hierbei lediglich um absurde Kombination von Wörtern handelt, wie es auch bei der Frage „Kennt Gott den Namen der Ehefrau des verheirateten Junggesellens?“ der Fall ist. C. S. Lewis schreibt hierzu:
Du darfst Ihm Wunder zuschreiben, aber nicht Widersinn. … Es bleibt wahr, dass alle Dinge bei Gott möglich sind; das innerlich Unmögliche [wie z.B. dieser Stein] aber ist nicht ein Ding, sondern ein Nichts. Es ist für Gott genauso wenig möglich wie für das schwächste Seiner Geschöpfe, von zwei einander ausschließenden Alternativen beide zu verwirklichen; nicht weil Seine Macht behindert wäre, sondern weil Unsinn eben Unsinn bleibt, selbst wenn er von Gott handelt.
Gott ist allwissend
Wenn die Bibel sagt, das Gott allwissend ist, meint sie damit u.a., dass Gott weiß alles, was notwendigerweise wahr ist, z.B. 2+2=4; wenn es regnet, regnet es; alles was eine Gestalt hat, hat eine gewisse Größe – alles Dinge also, die notwendigerweise wahr sind. Dieses allumfassende „Wahrheitswissen“ liegt in Gottes Wesen.
Gott weiß darüber hinaus auch bereits im Voraus, dass ich einmal die Aktion X tun werde. Es dürfte an dieser Stelle aber sicherlich auf der Hand liegen, dass wir mit solchen Phrasen wie „im Voraus“ gerade mit Hinblick auf das Wesen Gottes vorsichtig sein müssen: Allen Gedanken, die etwas Zeitliches beinhalten, liegt natürlicherweise die Kompontente „Zeit“ zugrunde, die für Gott, der außerhalb der Zeit existiert, nicht bindend ist. Es wäre daher – wenn aus menschlicher Sicht auch nur allzu verständlich – auch etwas zu vorschnell, die Aussage „Gott weiß, was passieren wird“ automatisch mit „Gott sieht, was passieren wird. Das Sache ist, wie sollte es auch anders, etwas komplizierter. Wer hier tiefer einsteigen mag, dem sei Craigs Klassiker „Time and Eternity: Exploring God’s Relationship to Time“ ans Herz gelegt.
Aber wie gesagt: Gott weiß bereits im Voraus, dass ich einmal die Aktion X tun werde. Auch das gehört zu seiner Allwissenheit. An dieser Stelle haken nun einige ein und sagen:
Aber wenn Gott bereits im Voraus weiß, dass ich eine bestimmte Sache tun werden, dann habe ich doch gar keine andere Wahl mehr, als diese Sache zu tun – und deshalb passiert alles, was passiert notwendigerweise.
Ich verstehe dieses Gedanken zwar, nichtsdestotrotz hat er ein logisches Problem. Das wird gut deutlich, wenn man sich die hier zugrunde liegende Denkstruktur einmal im Detail anschaut:
- Wenn Gott bereits im Voraus weiß, dass ich die Sache X tun werde, dann werde ich X notwendigerweise tun.
- Gott weiß bereits im Voraus, dass ich X tun werde.
- Deshalb muss ich X notwendigerweise tun.
Diese Logik mag auf den ersten Blick zwar bestechend wirken, ist sie aber nicht. Warum? Weil aus den ersten beiden Annahmen, die ich sogar bestätigen würde, nicht folgt, dass ich X notwendigerweise tun muss. Alles, was aus den ersten beiden Annahmen folgt, ist, dass ich X tun werde. Aber nicht, dass ich es notwendigerweise tun muss – ich könnte X immer noch sein lassen. Wenn ich das tun würde, würde Gott das natürlich auch bereits im Voraus wissen. Wenn X also eintritt, weiß das Gott bereits im Voraus. Wenn ich mich gegen X entscheide, weiß Gott auch das bereits im Voraus.
Ich versuche das mal, an einem Beispiel deutlicher zu machen: Gottes Wissen ist sozusagen so etwas wie ein „unfehlbares Barometer“. Ein Barometer irrt sich nie, es liegt stets richtig – aber es bestimmt natürlich nicht das Wetter. Wenn sich das Wetter ändert, ändert sich auch das Barometer. Ganz ähnlich ist es auch mit Gottes Vorwissen: Wir sind frei, alles zu tun oder sein zu lassen, was wir wollen. Wir sind aber nicht frei, das Barometer zu unterwandern. Gott weiß, was wir tun werden. Das heißt also: Unsere Handlungen stehen zwar in einem logischen Zusammenhang mit Gottes Vorwissen. Aber sein Vorwissen steht in einem chronologischen Zusammenhang zu dem, was wir tun werden.
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