Wieso glauben Sie nicht an den Koran?
Danke für die gute Frage erst einmal. Vorweg und nicht unwichtig: Ich glaube übrigens auch nicht, zumindest nicht in erster Linie, an die Bibel – sondern in erster Linie an eine Person: die Person Jesus. Die Stimmigkeit des christlichen Glaubens hängt schließlich an seiner Person, da sind selbst die neutestamentlichen Schriften brutal ehrlich:
„Wenn Christus nicht auferstanden ist, ist euer Glaube eine Illusion.“ (1Kor 15,17)
Und natürlich kann nicht gelten: Weil die Bibel sagt, dass Jesus auferstanden ist, deshalb ist er auch auferstanden. Nein, die Bibel ist ja nicht deshalb wahr, weil die Bibel nun einmal wahr. Sondern: Die Bibel ist wahr, weil das mit Jesus und seiner Auferstehung stimmt. Diese Feststellung beruht aber im Kern auf (subjektiven wie objektiven) Erfahrungswerten im Sinne eines sehenden Vertrauens und damit gerade nicht auf blindem Vertrauen gemäß dem Motto:
„Weil es in der Bibel steht, deshalb hat es auch zu stimmen.“
Natürlich gehe ich von der Stimmigkeit der Bibel aus, aber eben vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass Jesus vertrauenswürdig ist. (Dazu gehört natürlich auch, dass ich von der Historizität seiner Lebensbeschreibungen ausgehe; aber das ist eben keine theologische, sondern eine historische Frage.)
Letztlich liegt hier auch der Kerngrund, weshalb ich vor einigen Jahren Christ und nicht (z.B.) Moslem geworden bin: Eine Kombination aus guten objektiven und guten subjektiven Gründen für den christlichen Glauben, hat mich davon überzeugt, dass es stimmt, was Christen glauben.
Und es war immer klar für mich: Ich lasse, wenn ich mich auf den Glauben einlasse, meinen Verstand auch weiterhin eingeschaltet. So dass ich mich bei jedem Schritt immer neu fragen kann:
„Macht das Sinn? Überzeugt es mich wirklich? Werde ich dadurch aufrichtiger, echter oder schneidet es einen Teil meines Denkens und meiner Persönlichkeit ab? Verstehe ich die Welt besser als vorher?“ usw.
Das sind alles sozusagen „Sicherheitsabfragen“, um sich zu vergewissern, dass man auf dem richtigen Weg ist. Ich stelle sie mir natürlich auch heute noch.
Darüber hinaus erscheint mir der Gott, an den Muslime glauben, bei allem Respekt und in aller Höflichkeit vor meinen muslimischen Freunden und Bekannten, nicht das „höchste anzunehmende Wesen“ zu sein.
Wenn wir den Gott der Bibel mit dem des Korans vergleichen, fällt z.B. auf, dass der Koran keinen allliebenden Gott kennt. Gott, wie er im Koran beschrieben wird, liebt nicht jeden Menschen, sondern nur die, die auch ihn lieben. Sicherlich, Gott wird im Koran als liebend und gnädig beschrieben, keine Frage. Er ist aber ausschließlich denen wohlgesonnen, die auch ihm wohlgesonnen sind.
Diese Beschreibung von Gott steht nun im Widerspruch zu der Beschreibung Gottes in der Bibel, in der er als jemand beschrieben wird, der alle Menschen liebt, Gläubige wie Nicht-Gläubige. Sicherlich, Gott findet vieles nicht toll, was wir tun, trotzdem liebt er jeden von uns. Anders ausgedrückt: Er hasst zwar die Sünde, liebt den Sünder aber über alles. Der Gott, wie er in der Bibel beschrieben wird, ist folglich in der Tat „allliebend“, nicht aber der, von dem uns der Koran erzählt. Hier muss sich die Liebe Gottes erst verdient werden.
Muslime glauben, dass wenn der Mensch einen Schritt auf Gott zu macht, dieser auch auf ihn zukommt. Muslime sagen also, dass der Mensch die Initiative ergreifen muss: Zuerst geht der Mensch einen Schritt auf Gott zu, erst dann geht er einen Schritt auf den Menschen zu. Das steht aber im genauen Gegensatz zu dem, was Christen glauben bzw. wie Gott in der Bibel beschrieben wird. Hier lesen wir, dass obwohl wir Sünder sind, obwohl wir nicht-gläubig sind und obwohl wir Gott ablehnen, er uns liebt und sich nichts Sehnlicheres wünscht als mit jedem seiner Geschöpfe in einer liebevollen und vertrauensvollen Beziehung zu sein.
Der Gott, an den Christen glauben, liebt uns Menschen so sehr, dass er in Jesus selbst in unsere Welt kam und letztlich am Kreuz freiwillig die Strafe für unsere Schuld auf sich nimmt, damit nicht wir die Konsequenzen tragen müssen, sondern Gott selbst. Das würde ein engagierter Moslem niemals über Gott sagen.
Darüber hinaus berichten uns Koran und Bibel Unterschiedliches, was Gottes Gerechtigkeit anbelangt. Im Koran wird Gott als ein gerechter Richter beschrieben, der aber natürlich auch gnädig sein kann. Dagegen ist ja erstmal nichts einzuwenden. Wenn der muslimische Gott bzw. Richter aber gnädig ist, hört er genau in diesem Augenblick auf, gerecht zu sein. Denn wenn Gott, wie er im Koran beschrieben wird, nun aber z.B. Mördern oder Vergewaltigern vergibt, hat niemand mehr die Konsequenzen für diese Taten zu tragen. Das ist sicherlich gnädig, nicht aber gerecht. Der Gott im Koran ist zwar liebend und gerecht – aber eben nicht alliebend und auch nicht vollkommen gerecht.
Und genau hier finden wir die Antwort auf die Frage, die nicht wenige heutzutage haben – nämlich: „Warum musste Jesus für unsere Sünden sterben? Hätte Gott nicht auch einfach so vergeben können?“ Und die Antwort lautet: Nein, Gott kann als ein vollkommen heiliger und vollkommen gerechter Gott Schuld nicht einfach so vergeben. Vollkommene Gerechtigkeit liegt nur dann vor, wenn die Konsequenzen, die eine Fehlverfehlung nach sich zieht, auch zum Tragen kommen. Absolute Gerechtigkeit ist aber nicht gegeben, wenn die Konsequenzen, die eine Fehlverfehlung nach sich zieht, nicht zum Tragen kommen.
Gottes absolute Liebe verlangt nach Versöhnung und Vergebung. Seine absolute Gerechtigkeit verlangt die Bestrafung für sündiges Verhalten. Während Gott im Koran nun entweder seine Liebe ablegt, wenn Gerechtigkeit übt oder seine Gerechtigkeit ablegt, wenn er liebende Gnade walten lässt, sagt die Bibel, dass Gott sich nicht selbst verleugnen kann. Er kann nicht ein Wesensmerkmal zugunsten eines anderen „deaktivieren“. Das bringt den Gott der Bibel natürlich in ein Dilemma.
Christen sagen aber, dass Gott dieses Dilemma gelöst hat – in dem er selbst Mensch wurde, in Jesus. Am Kreuz treffen sich die Liebe und die Gerechtigkeit Gottes. Gerechtigkeit, weil das der Ort ist, auf den Gott die Sünden der ganzen Menschheit lenkt und Jesus die Konsequenzen trägt, die wir eigentlich zu tragen hätten. Liebe, weil in Jesus nicht irgendein Unschuldiger für die Konsequenzen unseres Fehlverhaltens stirbt, sondern Gott selbst – in Jesus.
Das sind meiner Ansicht nach alles gute Gründe dafür, warum wir im christlichen Gottesverständnis (und eben nicht im muslimischen) „das höchste anzunehmende Wesen“ vorfinden.
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